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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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    »Weil es nicht dein Körper ist, der zählt, wenn ich dich nehme«, sagte er. »Und das weißt du ganz genau, Sassenach!«
    Er drehte sich um und küßte mich heftig. Es kam völlig überraschend. Er preßte meine Lippen gegen meine Zähne und nahm dann meinen ganzen Mund mit dem seinen, beinahe ein fordernder Biß.
    Ich wußte, was er von mir wollte; dasselbe, was ich so verzweifelt von ihm brauchte - Rückhalt. Doch keiner von uns konnte ihn dem anderen in dieser Nacht geben.
    Seine Finger gruben sich in meine Schultern, glitten höher und ergriffen meinen Hals. Die Haare auf meinen Armen sträubten sich, als er mich an sich drückte - und dann hielt er inne.
    »Ich kann’s nicht«, sagte er. Er drückte meinen Nacken fest und ließ dann los. Sein Atem kam stoßweise. »Ich kann’s nicht.«
    Er trat zurück, wandte sich von mir ab und tastete wie blind nach dem Zaun vor ihm. Er packte das Holz fest mit beiden Händen und stand mit geschlossenen Augen da.
    Ich zitterte, und meine Beine gaben unter mir nach. Ich schlug die Arme unter dem Umhang um mich und setzte mich zu seinen Füßen nieder. Und wartete, während mir das Herz schmerzhaft laut in
den Ohren schlug. Der Nachtwind wehte durch die Bäume auf dem Kamm und murmelte in den Kiefern. Irgendwo weit weg in den dunklen Hügeln schrie ein Berglöwe. Es klang wie eine Frau.
    »Es ist nicht so, daß ich dich nicht will«, sagte er schließlich, und ich hörte leise seinen Rock rascheln, als er sich mir zuwandte. Er stand einen Augenblick still, den Kopf gesenkt, das zusammengebundene Haar glänzend im Mondschein, das Gesicht im Dunkeln verborgen, denn der Mond war hinter ihm. Schließlich bückte er sich, nahm meine Hand in seine verletzte Hand und zog mich hoch.
    »Ich will dich vielleicht mehr als je zuvor«, sagte er leise. »Und Himmel! Ich brauche dich, Claire. Doch ich kann es im Augenblick nicht ertragen, mich als Mann zu betrachten. Ich kann dich nicht berühren, ohne daran zu denken, was er - ich kann’s nicht.«
    Ich berührte seinen Arm.
    »Ich verstehe«, sagte ich, und so war es auch. Ich war froh, daß er nicht nach den Details gefragt hatte; ich wünschte mir, ich würde sie auch nicht kennen. Wie würde es sein, mit ihm zu schlafen und gleichzeitig einen Akt vor Augen zu haben, der in seinen Bewegungen identisch war, aber von einer absolut anderen Essenz?
    »Ich verstehe, Jamie«, sagte ich noch einmal.
    Er öffnete die Augen und sah mich an.
    »Aye, das tust du, nicht wahr? Und das ist es, was ich meine.« Er nahm meinen Arm und zog mich an sich.
    »Du könntest mich in Stücke reißen, Claire, ohne mich zu berühren«, flüsterte er, »denn du kennst mich.« Seine Finger berührten meine Wange. Sie waren kalt und steif. »Und ich könnte das gleiche mit dir tun.«
    »Das könntest du«, sagte ich, und mir war ein wenig schwindelig. »Aber mir wäre wirklich lieber, du tätest es nicht.«
    Er lächelte kurz, neigte den Kopf und küßte mich ganz sanft. Wir standen zusammen da, berührten uns nur mit den Lippen und atmeten den Atem des anderen.
    Ja , sagten wir schweigend zueinander. Ja, ich bin immer noch da. Es war keine Rettung, aber immerhin ein dünnes Seil, das sich über den Abgrund spannte, der zwischen uns lag. Ich wußte in der Tat, was er mit dem Unterschied zwischen Verletzungen an Körper und Seele meinte; was ich ihm nicht erklären konnte war die Verbindung, die beide in der Gebärmutter eingingen. Schließlich trat ich zurück und sah zu ihm auf.
    »Brianna ist sehr stark«, sagte ich ruhig. »Genau wie du.«
    »Wie ich?« Er schnaubte leise. »Dann steh’ Gott ihr bei.«

    Er seufzte, dann wandte er sich um und begann langsam am Zaun entlangzugehen. Ich folgte ihm und mußte mich ein wenig beeilen, um mitzuhalten.
    »Dieser Mann, dieser Roger, von dem sie spricht. Wird er zu ihr stehen?« fragte er abrupt.
    Ich holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. Ich wußte nicht, wie ich antworten sollte. Ich hatte Roger nur ein paar Monate lang erlebt. Ich mochte ihn; hatte ihn sogar sehr gern. Nach allem, was ich von ihm wußte, war er ein durch und durch anständiger, ehrenhafter junger Mann - doch wie konnte ich auch nur so tun, als wüßte ich, was er denken, tun oder fühlen würde, wenn er erfuhr, daß Brianna vergewaltigt worden war? Schlimmer noch, daß sie möglicherweise ein Kind von dem Vergewaltiger bekam?
    Der beste aller Männer war unter Umständen nicht in der Lage, mit so einer Situation fertigzuwerden; in

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