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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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leannan ?«
    Sie hatte die Augen geschlossen, und ihre Wimpern warfen lange Schatten auf ihre Wangen, doch ich sah, wie sich ihre Lippen zu einem Lächeln kräuselten.
    »Was denn, Pa?«

    »Du bist so schwer wie ein ausgewachsener Hirsch.«
    »Soll ich denn aufstehen?« fragte sie, ohne sich zu bewegen.
    »Natürlich nicht.«
    Sie streckte die Hand aus und berührte seine Wange.
    »Mi gradhaich a thu, athair« , flüsterte sie. All meine Liebe für dich, Vater.
    Er umarmte sie fest, senkte den Kopf und küßte sie auf die Stirn. Das Feuer erfaßte einen Harzklumpen. Es flammte plötzlich hinter der Bank auf und bemalte ihre Gesichter mit Gold und Schwarz. Seine Gesichtszüge waren schroff geschnitten und kühn; ihre ein zarteres Echo seiner schweren, scharfkantigen Knochen. Beide sturköpfig, beide stark. Und beide, Gott sei Dank, mein.
     
    Durch ihren Gefühlsausbruch ermüdet, schlief Brianna nach dem Abendessen ein. Ich fühlte mich ebenfalls ziemlich abgeschlafft, war aber noch nicht in der Stimmung zum Schlafen. Ich war erschöpft und aufgekratzt zugleich und hatte dasselbe entsetzliche Gefühl, wie wenn ich auf dem Schlachtfeld mitten im Geschehen war, über das ich keinerlei Kontrolle hatte, mit dem ich mich aber dennoch befassen mußte.
    Ich wollte mich mit gar nichts abgeben. Was ich wollte, war jeden Gedanken an die Gegenwart und die Zukunft von mir zu schieben und zum Frieden der letzten Nacht zurückzukehren.
    Ich wollte mit Jamie ins Bett kriechen und mich warm an ihn kuscheln, zu zweit unter der Bettdecke sicher gegen die zunehmende Kälte des Zimmers abgeriegelt. Zusehen, wie die Glut verlosch, während wir uns leise unterhielten und unser Gespräch langsam von den Neuigkeiten und kleinen Scherzen des Tages in die Sprache der Nacht überging. Die Zwiesprache von Worten in Berührung, vom Atmen in die kleinen Körperbewegungen übergehen lassen, die in sich selbst Frage und Antwort waren; unsere vollendete Unterredung schließlich in der Eintracht des Schlafes zum Schweigen bringen.
    Doch heute nacht lasteten Sorgen auf dem Haus, und es gab keinen Frieden zwischen uns.
    Er strich durch das Haus wie ein eingesperrter Wolf, hob Gegenstände auf und legte sie wieder hin. Ich räumte den Eßtisch ab und beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Ich hätte nichts lieber getan als mit ihm zu reden - und fürchtete es zur gleichen Zeit. Ich hatte Brianna versprochen, ihm nichts von Bonnet zu sagen. Doch ich war eine ziemlich schlechte Lügnerin - und er kannte mein Gesicht so gut.
    Ich füllte einen Eimer mit heißem Wasser aus dem großen Kessel und nahm die Zinnteller mit vor die Tür, um sie abzuspülen.

    Als ich zurückkam, fand ich Jamie vor dem kleinen Regal, in dem er sein Tintenfaß, seine Schreibfedern und sein Papier aufbewahrte. Er hatte sich noch nicht fürs Bett ausgezogen, doch er machte auch keine Anstalten, die Utensilien herunterzunehmen und sich an seine allabendliche Arbeit zu begeben. Aber natürlich - mit seiner verletzten Hand konnte er nicht schreiben.
    »Möchtest du, daß ich etwas für dich schreibe?« fragte ich, als ich sah, wie er sich eine Feder nahm und sie wieder hinlegte.
    Er wandte sich mit einer unruhigen Geste ab.
    »Nein. Ich muß natürlich an Jenny schreiben - und es müssen noch andere Arbeiten erledigt werden -, aber ich kann es im Augenblick nicht ertragen, mich hinzusetzen und nachzudenken.«
    »Ich weiß, wie du dich fühlst«, sagte ich mitfühlend. Er sah mich leicht erschrocken an.
    »Ich kann dir ja selbst nicht genau sagen, wie ich mich fühle, Sassenach«, sagte er mit einem seltsamen Lachen. »Wenn du meinst, du weißt es, sag’s mir.«
    »Müde«, sagte ich und legte eine Hand auf seinen Arm. »Wütend. Voller Sorgen.« Ich sah zu Brianna hinüber, die auf dem Rollbett schlief. »Am Boden zerstört vielleicht«, fügte ich leise hinzu.
    »All das«, sagte er. »Und noch einiges mehr.« Er trug keine Halsbinde, zupfte aber an seinem Hemdkragen, als erwürgte ihn dieser.
    »Ich kann nicht hier drinnen bleiben«, sagte er. Er sah mich an; ich war immer noch vollständig angezogen; Rock, Hemd und Mieder. »Kommst du mit hinaus und gehst ein bißchen mit mir spazieren?«
    Ich ging auf der Stelle meinen Umhang holen. Es war dunkel draußen; er würde mein Gesicht nicht sehen können.
    Wir schritten langsam nebeneinander her, über den Hof und an den Schuppen vorbei, hinunter zum Pferch und zu den Feldern, die dahinter lagen. Ich hielt ihn am Arm und spürte ihn

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