Der Ruf Der Trommel
du nicht.« Seine Stimme war sanft. »Aber es würde mir nichts ausmachen, wenn du es gern sagen würdest. Ab und zu. Nicht zu oft, versteh mich nicht falsch; es wäre schade, wenn es aufhören würde, etwas Besonderes zu sein.« Ich konnte das Lächeln in seiner Stimme hören und mußte einfach ebenfalls lächeln, egal, ob er es sehen konnte oder nicht.
»Aber ab und zu wäre es nicht schlimm?«
»Nein.«
Ich trat dicht an ihn heran und legte meine Hände auf seine Schultern.
»Ich liebe dich.«
Er sah einen langen Moment zu mir herunter.
»Das freut mich, Claire«, sagte er und berührte mein Gesicht. »Sehr. Komm jetzt ins Bett; ich wärme dich.«
48
Fern in einer Krippe
Der kleine Stall befand sich in einer niedrigen Höhle unter einem felsigen Überhang und war an der Vorderseite mit ungeschälten Zedernstämmen verschlossen, die einen halben Meter tief in der festgestampften Erde versenkt waren, stabil genug, um auch dem entschlossensten Bären Widerstand zu leisten. Licht strömte durch die obere Hälfte der Stalltür, und rötlicher, lichterfüllter Rauch waberte schimmernd an den darüberliegenden Felsen hoch und lief so hell wie Wasser über den Stein.
»Wozu die unterteilte Tür?« hatte sie gefragt. Sie sah nach viel Mühe aus, ein unangemessener Luxus für ein so roh zusammengezimmertes Bauwerk.
»Man muß den Viechern doch eine Aussicht bieten«, hatte ihr Vater gesagt, während er ihr zeigte, wie man die Türangeln aus Lederbändern fest und glatt um das gerundete Holz zog. Er kniete über dem halbfertigen Tor, griff nach dem Hammer, um das Leder festzunageln, und lächelte sie an. »Dann sind sie glücklich, verstehst du?«
Sie wußte nicht, ob die Tiere in dem Stall glücklich waren, doch sie war es. Es war dort kühl und schattig, roch durchdringend nach Stroh und dem Dung von Grasfressern, und am Tag, wenn seine Bewohner draußen weideten, war er ein friedlicher Zufluchtsort. Bei schlechtem Wetter oder in der Nacht bildete der kleine Holzverschlag ein warmes Nest; einmal war sie nach Einbruch der Dunkelheit so nah daran vorbeigegangen, daß sie den sanften, nebligen Atem der Tiere durch die Lücke zwischen Fels und Holz aufsteigen sah, als atmete die Erde selbst durch halbgeöffnete Lippen, warm und schläfrig in der herbstlichen Kälte.
Heute nacht war es kalt. Die Sterne glänzten wie Nadelspitzen in der harten, klaren Luft.
Vom Haus aus hatte sie nur fünf Minuten zu gehen, doch als Brianna die Stalltür erreichte, zitterte sie unter ihrem Umhang vor Kälte. Das Licht, das nach außen drang, kam nicht nur von einer Hängelaterne,
sondern auch von einem kleinen, provisorischen Ofen, der Licht und Wärme für die Nachtwache spendete.
Ihr Vater lag zusammengerollt auf einem Strohbett, das Plaid über sich gezogen, eine Armlänge von der kleinen, gescheckten Kuh entfernt. Die Färse hatte sich hingelegt und die Hufe seitlich angezogen. Ab und zu grunzte sie, und ein Ausdruck ruhiger Konzentration lief über ihr breites, weißes Gesicht.
Sein Kopf hob sich abrupt, als er ihre Schritte auf dem Kies hörte, und seine Hand fuhr automatisch an den Gürtel unter seinem Plaid.
»Ich bin’s«, sagte sie und sah, wie die Anspannung von ihm wich, als sie ins Licht trat. Er schwang seine Füße zur Seite, setzte sich hin und rieb sich das Gesicht, während sie eintrat und die untere Hälfte der Tür sorgfältig hinter sich schloß.
»Deine Mutter noch nicht wieder da?« Es war offensichtlich, daß sie allein war, aber er sah kurz über ihre Schulter hinweg, als hoffte er, daß Claire plötzlich aus dem Dunkel auftauchen würde.
Brianna schüttelte den Kopf. Claire war in Begleitung von Lizzie fortgegangen, um auf einem der Höfe auf der anderen Seite des Tals bei einer Geburt zu helfen; wenn das Kind bei Sonnenuntergang noch nicht da war, würden sie die Nacht bei den Lachlans verbringen.
»Nein. Sie hat aber gesagt, ich soll dir etwas zu essen bringen, wenn sie nicht zeitig zurück ist.« Sie kniete sich hin, begann, den kleinen Korb auszupacken, den sie mitgebracht hatte, und brachte kleine, mit Käse und eingelegten Tomaten gefüllte Brotlaibe, einen Kuchen mit Trockenäpfeln und zwei Steingutflaschen zum Vorschein, eine mit heißer Gemüsesuppe, die andere mit Apfelwein.
»Das ist lieb von dir, Kleine.« Er lächelte sie an und griff nach einer der Flaschen. »Hast du denn schon gegessen?«
»Oh, ja«, versicherte sie ihm. »Reichlich.« Sie hatte gegessen, konnte sich aber einen
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