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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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auch nur die geringste Beachtung, obwohl er sich sicher war, daß sie alle sich seiner bewußt waren.
    Vielleicht hatten sie ihn Fraser und dem Jungen weggenommen - aber warum? Es war wahrscheinlicher, daß Fraser ihn den Indianern überlassen hatte. Der Mann mit dem Messer hatte gesagt, sie würden ihm nichts tun. Was hatten sie mit ihm vor?
    Er sah sich um. Es würde bald Nacht sein; die fernen Schatten unter den Eichen hatten schon zugenommen.
    Na und, Kumpel? Wenn du nach Einbruch der Dunkelheit abhaust, wo willst du dann hin? Die einzige Richtung, über die du dir sicher bist, ist abwärts. Offensichtlich ignorierten ihn die Indianer, weil sie sich sicher waren, daß er nirgendwo hingehen würde.
    Er schüttelte die unbequeme Wahrheit dieser Beobachtung ab und stand auf. Eins nach dem anderen. Es war das letzte, was er im Augenblick wollte, doch seine Blase war dem Platzen nahe. Seine Finger waren langsam und ungeschickt und blutverklebt, doch er schaffte es, seine Kniehose aufzuschnüren.
    Sein erstes Gefühl war das der Erleichterung; es war nicht so schlimm, wie es sich anfühlte. Ziemlich wund, doch vorsichtiges Weitertasten schien ihm anzuzeigen, daß er im großen und ganzen unverletzt war.
    Erst, als er sich wieder dem Feuer zuwandte, folgte der schlichten Erleichterung ein Ausbruch so purer und blinder Wut, daß sie sowohl seinen Schmerz als auch seine Furcht wegbrannte. Auf seinem rechten Handgelenk war ein schwarzer, ovaler Fleck - ein Daumenabdruck, so deutlich und spottend wie eine Signatur.
    »Himmel«, sagte er ganz leise. Die Wut brannte ihm heiß und schwer in der Magengrube. Er konnte ihren säuerlichen Geschmack in seinem Mund schmecken. Er blickte hinter sich den Abhang hinab, ohne zu wissen, ob er in die Richtung von Fraser’s Ridge sah oder nicht.
    »Warte auf mich, du Schuft«, sagte er vor sich hin. »Alle beide - wartet auf mich. Ich komme wieder.«
     
    Allerdings nicht sofort. Die Indianer gestatteten ihm mitzuessen - eine Art Eintopf, den sie trotz seiner fast kochenden Temperatur mit den Fingern aßen -, schenkten ihm aber ansonsten keine Beachtung. Er versuchte es auf Englisch, Französisch - sogar mit den paar Brocken Deutsch, die er kannte, bekam aber keine Antwort.

    Sie fesselten ihn, als sie sich zum Schlafen niederlegten; sie banden ihm die Knöchel zusammen und legten ihm eine Schlinge um den Hals, deren anderes Ende sich einer seiner Bewacher um das Handgelenk band. Ob aus Gleichgültigkeit oder weil es keine gab, jedenfalls gaben sie ihm keine Decke, und er verbrachte die Nacht zitternd, so nah an das schwindende Feuer gedrängt, wie es möglich war, ohne daß er sich strangulierte.
    Er hatte nicht geglaubt, daß er in der Lage sein würde zu schlafen, doch er tat es dennoch, vom Schmerz erschöpft. Aber es war ein unruhiger Schlaf, der mit gewalttätigen, bruchstückhaften Träumen angefüllt war und ständig unterbrochen wurde, weil er die Illusion hatte, erwürgt zu werden.
    Am Morgen brachen sie wieder auf. Von Reiten war diesmal keine Rede; er lief, und zwar so schnell er konnte; man ließ ihm die Schlinge lose um den Hals hängen, doch ein kurzes Seil verband seine Hände mit dem Zaumzeug eines der Pferde. Er stolperte und fiel mehrmals hin, schaffte es aber, trotz seiner Prellungen und Muskelschmerzen immer wieder, auf die Beine zu krabbeln. Er hatte ganz klar den Eindruck, daß sie ihn ohne weiteres hinter sich her schleifen würden.
    Sie hielten sich in etwa in Richtung Norden, das konnte er an der Sonne ablesen. Nicht, daß es ihm großartig weiterhalf, denn er hatte keine Ahnung, von wo sie aufgebrochen waren. Doch sie konnten noch nicht weit von Fraser’s Ridge entfernt sein; er konnte nicht mehr als ein paar Stunden bewußtlos gewesen sein. Er blickte auf die mahlenden Hufe des Pferdes neben ihm und versuchte, seine Geschwindigkeit zu schätzen. Nicht mehr als zwei oder drei Meilen pro Stunde; er konnte ohne große Anstrengung mithalten.
    Landschaftsmerkmale. Es war nicht zu sagen, wohin sie ihn bringen wollten - oder warum -, doch wenn er jemals zurückkehren wollte, dann mußte er sich das Aussehen des Terrains einprägen, durch das sie kamen.
    Ein Felsenkliff, vielleicht fünfzehn Meter hoch und mit struppigen Pflanzen bewachsen, ein verkrümmter Dattelpflaumenbaum, der aus einer Felsspalte herausragte wie eine vorspringende Matratzenfeder, mit leuchtendorangen Troddeln übersät.
    Sie gelangten auf einen Bergkamm mit einem atemberaubenden Blick auf die

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