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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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gut er konnte, sich geradeaus zu bewegen. Eine Möglichkeit ängstigte ihn mehr als der Gedanke an die Indianer; er konnte so leicht die Orientierung verlieren, während er sich blind durch dieses Labyrinth bewegte. Es konnte damit enden, daß er sich endlos im Kreis bewegte und für immer in der Falle saß. Die Geschichten über die Jagdhunde hatten jedes Element der Übertreibung verloren.
    Irgendein kleines Tier rannte ihm über die Hand, und er fuhr auf und stieß sich den Kopf an den Zweigen über ihm. Er biß die Zähne zusammen und machte weiter, immer ein paar Zentimeter auf einmal. Grillen zirpten überall um ihn herum, und unzählige, leise Raschelgeräusche ließen ihn wissen, daß die Bewohner dieses Dickichts sein Eindringen nicht besonders schätzten. Er konnte nicht das Geringste sehen; es war fast pechschwarz hier unten. Doch ein Gutes hatte das Ganze: Die ständige Anstrengung erwärmte ihn; Schweiß biß in seine Kopfwunde und tropfte ihm vom Kinn.
    Immer wenn er anhalten mußte, um wieder zu Atem zu kommen, lauschte er auf einen Anhaltspunkt - entweder über seine eigene Position oder die seiner Verfolger -, doch er hörte nur gelegentlich einen Nachtvogel rufen, und um ihn herum raschelte das Laub. Er wischte sich mit dem Ärmel über das verschwitzte Gesicht und schob sich vorwärts.
    Er wußte nicht, wie lange er schon unterwegs war, als er den Felsen fand. Oder ihn weniger fand, als daß er vielmehr kopfüber in ihn hineinprallte. Er taumelte rückwärts, hielt sich den Kopf und biß die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien.
    Blinzelnd vor Schmerz, streckte er die Hand vor und fand das, woran er sich gestoßen hatte. Keinen Felsbrocken, einen Felsen mit flacher Oberfläche. Und zwar einen hohen; die harte Oberfläche erstreckte sich so hoch, wie er greifen konnte.
    Er tastete seitwärts um den Felsen herum. Daneben wuchs ein dicker Stamm; seine Schultern klemmten in dem engen Zwischenraum.
Er drehte sich und schob, wand sich und schoß schließlich vorwärts, wobei er das Gleichgewicht verlor und auf dem Gesicht landete.
    Benommen erhob er sich erneut auf seine Hände - und stellte fest, daß er sie sehen konnte. Er blickte auf und sah sich total verdutzt um.
    Sein Kopf und seine Schultern ragten ins Freie. Nicht nur frei, sondern auch leer . Begierig wand er sich weiter vorwärts, fort von der klaustrophobischen Umklammerung der Rhododendren.
    Er stand an einer freien Stelle, einer Felsenwand gegenüber, die sich auf der anderen Seite einer kleinen Lichtung erhob. Und es war wirklich eine Lichtung; es wuchs nicht das Geringste in dem weichen Boden zu seinen Füßen. Erstaunt wandte er sich langsam um und atmete die kalte, scharfe Luft in tiefen Zügen.
    »Lieber Gott im Himmel«, sagte er leise. Die Lichtung bildete ein grobes Oval, war von aufrechtstehenden Steinen umringt, und das eine Ende des Ovals wurde von der Felswand geschlossen. Die Steine waren in gleichmäßigen Abständen um den Kreis herum positioniert, ein paar von ihnen umgestürzt, ein paar andere durch den Druck der Wurzeln und Stämme hinter ihnen verschoben. Er konnte die dichte, schwarze Masse der Rhododendren sehen, die zwischen und über den Steinen aufragten, doch im Innenraum des Kreises wuchs keine einzige Pflanze.
    Während er spürte, wie eine Gänsehaut seinen Körper überzog, ging er behutsam in die Mitte des Kreises. Es konnte nicht sein - doch es war so. Und warum auch nicht? Wenn Geillis Duncan recht gehabt hatte… er drehte sich um und sah im Mondlicht die Gravierungen auf der Felswand.
    Er ging näher heran, um sie sich anzusehen. Es waren diverse Petroglyphen, einige von der Größe seiner Hand, andere fast so groß wie er selbst; Spiralformen und etwas, das ein Mann sein mochte, tanzend - oder sterbend? Ein fast geschlossener Kreis, der aussah wie eine Schlange, die ihrem Schwanz nachjagte. Warnsignale.
    Er erschauerte erneut, und seine Hand fuhr an seine Hosennaht. Sie waren noch da: die beiden Edelsteine, für die er sein Leben riskiert hatte, winzige Sicherheitsgarantien - so hoffte er - für ihn und Brianna.
    Er konnte nichts hören; kein Summen, kein Dröhnen. Die Herbstluft war kalt, und ein leichter Wind regte sich in den Rhododendronblättern. Verdammt, was für ein Datum war es? Er wußte es nicht, er hatte es schon lange nicht mehr nachgerechnet. Doch er glaubte, daß es Anfang September gewesen war, als er Brianna in Wilmington verlassen hatte. Bonnet aufzuspüren und eine Gelegenheit

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