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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Briannas Überraschung sah Ulysses ein wenig nostalgisch aus, doch dann schüttelte er den Kopf, besann sich wieder auf sich selbst und zog einen Lappen aus der Tasche, mit dem er über die Anrichte wischte.
    »Es war der Schulmeister, der mir den Namen Ulysses gegeben hat«, sagte er mit dem Rücken zu ihr. »Er konnte etwas Griechisch und auch ein bißchen Latein und brachte mir zu seinem eigenen Vergnügen das Lesen bei, wenn wir nachts von der Dunkelheit überrascht wurden und unterwegs Lager machen mußten.«
    Seine aufrechten, mageren Schultern hoben sich in einem angedeuteten Achselzucken.
    »Als der Schulmeister ebenfalls starb, war ich ein junger Mann von ungefähr zwanzig. Hector Cameron kaufte mich und entdeckte meine Talente. Nicht alle Herren würden solche Fähigkeiten bei einem Sklaven schätzen, doch Mr. Cameron war kein gewöhnlicher Mann.« Ulysses lächelte schwach.
    »Er hat mir das Schachspielen beigebracht und auf mich gesetzt, wenn ich gegen seine Freunde spielte. Er hat mir das Singen und das Cembalospiel beigebracht, so daß ich seine Gäste unterhalten konnte. Und als Miss Jo ihr Augenlicht zu verlieren begann, hat er mich ihr gegeben, um für sie zu sehen.«
    »Wie ist dein Name gewesen? Dein richtiger Name?«
    Er hielt inne und dachte nach. Dann lächelte er sie an, doch das Lächeln reichte nicht bis zu seinen Augen.
    »Ich glaube nicht, daß ich mich daran erinnern kann«, sagte er höflich und ging hinaus.

56
    Bekenntnisse des Leibes
    Er erwachte kurz vor der Morgendämmerung. Die Nacht war immer noch schwarz, doch die Luft hatte sich verändert; die Glut war ausgebrannt und der Atem des Waldes wehte über sein Gesicht.
    Alexandre war fort. Er lag allein unter dem zerlumpten Hirschfell, ganz kalt.
    »Alexandre?« flüsterte er heiser. »Père Ferigault?«
    »Ich bin hier.« Die Stimme des jungen Priesters war leise, irgendwie fern, obwohl er nicht mehr als einen Meter von ihm weg saß.
    Roger erhob sich blinzelnd auf seinen Ellbogen. Als ihm der Schlaf erst einmal aus den Augen gewichen war, konnte er schwach sehen. Alexandre saß mit sehr geradem Rücken im Schneidersitz, das Gesicht dem quadratischen Loch des Rauchabzuges über ihnen zugewandt.
    »Alles in Ordnung?« Eine Halsseite des Priesters war schwarz vor Blut, obwohl sein Gesicht - das, was Roger davon erkennen konnte - friedlich aussah.
    »Sie werden mich bald umbringen. Vielleicht heute.«
    Roger setzte sich hin und hielt das Hirschfell an seine Brust gedrückt. Ihm war sowieso schon kalt; der ruhige Ton dieser Worte ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
    »Nein«, sagte er und mußte husten, um seinen Hals vom Ruß zu befreien. »Nein, das werden sie nicht.«
    Alexandre machte sich nicht die Mühe, ihm zu widersprechen. Bewegte sich nicht. Er saß nackt da, ohne die Kälte der Morgenluft zu beachten, und blickte empor. Schließlich senkte er seinen Blick und wandte Roger den Kopf zu.
    »Könntet Ihr mir die Beichte abnehmen?«
    »Ich bin doch kein Priester.« Roger kämpfte sich auf die Knie hoch und rutschte über den Boden, wobei er das Fell umständlich vor sich hielt. »Hier, Ihr erfriert noch. Deckt Euch damit zu.«
    »Es spielt keine Rolle.«

    Roger war sich nicht sicher, ob er meinte, es spielte keine Rolle, daß er fror, oder es spielte keine Rolle, daß Roger kein Priester war. Er legte eine Hand auf Alexandres nackte Schulter. Ob es eine Rolle spielte oder nicht, der Mann war eiskalt.
    Roger setzte sich so dicht wie möglich neben Alexandre und breitete das Fell über sie beide. Er fühlte, wie ihm eine Gänsehaut an den Stellen ausbrach, wo ihn die eisige Haut des anderen Mannes berührte, doch es störte ihn nicht; er rückte näher, denn es drängte ihn, Alexandre etwas von seiner eigenen Wärme abzugeben.
    »Euer Vater«, sagte Alexandre. Er hatte den Kopf gedreht; sein Atem streifte Rogers Gesicht, und seine Augen waren schwarze Löcher in seinem Gesicht. »Ihr habt mir erzählt, er sei Priester gewesen.«
    »Pastor. Ja, aber ich nicht.«
    Er spürte die abwinkende Geste des anderen Mannes mehr, als daß er sie sah.
    »In Notlagen kann jeder Mensch das Amt eines Priesters erfüllen«, sagte Alexandre. Seine kalten Finger berührten kurz Rogers Oberschenkel. »Werdet Ihr mir die Beichte abnehmen?«
    »Wenn es - ja, wenn Ihr es wünscht.« Es war ihm unangenehm, doch es konnte nicht schaden, und wenn es dem anderen Mann irgendwie half… Die Hütte und das Dorf vor der Tür lagen still um sie herum. Es

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