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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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erklang kein Geräusch bis auf den Wind in den Kiefern.
    Er räusperte sich. Würde Alexandre anfangen, oder mußte er zuerst etwas sagen?
    Als wäre das Geräusch ein Signal gewesen, drehte sich der Franzose zu ihm um und senkte den Kopf, so daß das goldene Haar auf seinem Scheitel in sanftes Licht getaucht wurde.
    »Segne mich, Bruder, denn ich habe gesündigt«, begann Alexandre leise. Und mit gesenktem Kopf, die Hände in seinem Schoß gefaltet, legte er seine Beichte ab.
    Mit einer Huroneneskorte von Detroit ausgesandt, war er flußabwärts bis zur Siedlung Ste. Berthe de Ronvalle gereist, wo er den betagten Priester der Missionsstation ablösen sollte, dessen Gesundheit versagt hatte.
    »Ich war dort glücklich«, sagte Alexandre in dem halb verträumten Tonfall, mit dem die Menschen von Ereignissen erzählen, die Jahrzehnte zurückliegen. »Es war mitten in der Wildnis, aber ich war jung und voll unverbrüchlicher Zuversicht. Strapazen waren mir willkommen.«
    Jung? Der Priester konnte nicht viel älter sein als er selbst.

    Alexandre zuckte mit den Achseln und schüttelte die Vergangenheit ab.
    »Ich habe zwei Jahre bei den Huronen verbracht und viele von ihnen bekehrt. Dann habe ich eine Gruppe von ihnen nach Fort Stanwix begleitet, wo eine große Versammlung der Stämme der Region stattfand. Dort traf ich Kennyanisi-t’ago, einen Kriegshäuptling der Mohawk. Er hörte mich predigen, und da ihn der Heilige Geist anrührte, lud er mich ein, mit ihm in sein Dorf zurückzukehren.«
    Die Mohawk waren berüchtigt für ihren Argwohn gegenüber der Bekehrung; es war ihm wie eine vom Himmel gesandte Gelegenheit vorgekommen. Also war Père Alexandre in Begleitung von Kennya-nisi-t’ago und seinen Kriegern per Kanu den Fluß hinabgefahren.
    »Das war meine erste Sünde«, sagte er. »Stolz.« Er hob einen Finger in Rogers Richtung, als wollte er vorschlagen, daß dieser mitzählte. »Doch Gott war mit mir.« Die Mohawk hatten während des letzten französischen Indianerkrieges auf seiten der Engländer gestanden und waren dem jungen, französischen Priester gegenüber mehr als mißtrauisch gewesen. Er hatte sich nicht entmutigen lassen und die Mohawksprache gelernt, um in ihrer eigenen Sprache zu ihnen predigen zu können.
    Es war ihm gelungen, eine Anzahl der Dorfbewohner zu bekehren, aber längst nicht alle. Allerdings hatte sich der Kriegshäuptling unter den Bekehrten befunden, so daß er vor Übergriffen geschützt war. Unglücklicherweise nahm der Sachem des Dorfes Anstoß an seinem Einfluß, und es herrschte eine fortgesetzte Spannung zwischen den Christen und den Nichtchristen im Dorf.
    Der Priester leckte sich die trockenen Lippen, dann hob er den Wasserkrug hoch und trank.
    »Und dann«, sagte er und holte tief Luft. »Dann habe ich meine zweite Sünde begangen.«
    Er hatte sich in eine der von ihm Bekehrten verliebt.
    »Hattet Ihr schon einmal mit einer Frau -?« Roger würgte die Frage ab, doch Alexandre antwortete schlicht und ohne Zögern.
    »Nein, noch nie.« Es lag ein Hauch, beinahe ein Lachen, von bitterer Selbstironie darin. »Ich hatte geglaubt, ich wäre dieser Versuchung gegenüber immun. Doch der Mensch ist schwach im Angesicht von Satans fleischlichen Verlockungen.«
    Er hatte einige Monate lang im Langhaus des Mädchens gelebt. Dann war er eines Morgens früh aufgestanden und war zum Fluß gegangen, um sich zu waschen. Dabei hatte er sein Spiegelbild im Wasser gesehen.

    »Plötzlich geriet das Wasser in Aufruhr und etwas durchbrach die Oberfläche. Ein riesiges, aufgesperrtes Maul erhob sich durch die Oberfläche und zerstörte mein Spiegelbild.«
    Es war nur eine Forelle gewesen, die einer Libelle nachjagte, doch der erschütterte Priester hatte es als ein Zeichen Gottes angesehen, daß seine Seele in Gefahr war, vom Schlund der Hölle verschluckt zu werden. Er war unverzüglich in das Langhaus gegangen und hatte seine Sachen gepackt, um von jetzt an in einem kleinen Unterschlupf außerhalb des Dorfes zu leben. Doch seine Geliebte war schwanger, als er sie verließ.
    »Ist das die Ursache der Probleme gewesen, die Euch hierher verschlagen haben?« fragte Roger.
    »Nein, nicht direkt. Sie denken anders über Moral und Ehe als wir«, erklärte Alexandre. »Die Frauen nehmen sich Männer, wie es ihnen gefällt, und Ehe ist eine Vereinbarung, die so lange gültig bleibt, wie sich die Partner verstehen; wenn sie sich uneins werden, dann darf die Frau den Mann aus dem Haus schicken - oder er

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