Der Ruf Der Trommel
Eheschließung anseht«, sagte MacKenzie ruhig.
»Oder vielleicht hat sie es selbst nicht so gesehen«, spekulierte Jamie grausam. Er hätte dem Mann Erleichterung verschaffen können, indem er ihm einen Teil der Wahrheit erzählte - daß Brianna nicht mitgekommen war, weil sie ein Kind bekam - doch er war nicht in Gönnerlaune.
Es wurde jetzt ziemlich dunkel, doch er konnte trotzdem sehen, wie MacKenzies Gesicht bei diesen Worten rot wurde und wie seine Hände sich um das zerlumpte Hirschfell ballten.
»Ich habe es so gesehen«, war alles, was er sagte.
Jamie schloß die Augen und sagte nichts mehr. Die letzten Kohlen erloschen langsam im Feuer und ließen sie in der Dunkelheit zurück.
61
Das Amt eines Priesters
Brandgeruch lag in der Luft. Wir kamen dicht an der Feuergrube vorbei, und ich konnte es nicht vermeiden, aus dem Augenwinkel den Haufen verkohlter Fragmente anzublicken, deren zersplitterte Enden mit Asche überzogen waren. Ich hoffte, daß es Holz war. Ich hatte Angst, direkt hinzusehen.
Ich stolperte auf dem gefrorenen Boden, und meine Eskorte fing mich am Arm auf. Zog mich kommentarlos hoch und schob mich auf ein Langhaus zu, vor dem zwei Männer Wache standen, vermummt zum Schutz gegen den kalten Wind, der die Luft mit dahintreibender Asche erfüllte.
Ich hatte nicht geschlafen und nicht gegessen, obwohl man mir etwas angeboten hatte. Meine Füße und meine Finger waren kalt. In einem Langhaus am anderen Ende des Dorfes erklangen Klagelaute, und darüber der laute, rituelle Gesang eines Totenliedes. War es das Mädchen, für das sie sangen, oder jemand anders? Ich zitterte.
Die Wachen warfen mir einen Blick zu und traten beiseite. Ich hob die Lederklappe vor der Tür und trat ein.
Es war dunkel, das Feuer im Innenraum genauso tot wie das im Freien. Doch durch den Rauchabzug fiel graues Licht, das den Boden ausreichend erleuchtete, daß ich einen unordentlichen Haufen aus Fellen und Stoff sehen konnte. Ein roter Tartanfleck leuchtete in dem Durcheinander auf, und Erleichterung durchfuhr mich.
»Jamie!«
Der Haufen regte sich und zerfiel. Jamies zerzauster Kopf fuhr hoch, hellwach, aber ziemlich mitgenommen. Neben ihm war ein dunkler, bärtiger Mann, der mir merkwürdig bekannt vorkam. Dann bewegte er sich ins Licht, und ich sah ein Paar grüne Augen im Gestrüpp aufblitzen.
»Roger!« rief ich aus.
Er erhob sich wortlos aus den Decken und nahm mich in die Arme. Er hielt mich so fest, daß ich kaum atmen konnte.
Er war furchtbar dünn; ich konnte seine Rippen einzeln spüren. Doch nicht unterernährt; er stank, doch es waren die normalen Gerüche nach Schmutz und abgestandenem Schweiß, nicht die hefeartige Ausdünstung eines Verhungernden.
»Roger, geht’s dir gut?« Er ließ mich los, und ich betrachtete ihn von oben bis unten auf der Suche nach Anzeichen einer Verletzung.
»Ja«, sagte er. Seine Stimme war heiser vom Schlaf und seinen Emotionen. »Brianna? Geht’s ihr gut?«
»Bestens«, versicherte ich ihm. »Was ist mit deinem Fuß passiert?« Er trug nur ein zerlumptes Hemd und einen fleckigen Lappen, den er um den einen Fuß gewickelt hatte.
»Ein Riß. Nichts. Wo ist sie?« Er klammerte sich ungeduldig an meinen Arm.
»An einem Ort namens River Run, bei ihrer Großtante. Hat Jamie es dir nicht gesagt? Sie ist -«
Ich wurde unterbrochen, weil Jamie meinen anderen Arm ergriff.
»Alles in Ordnung, Sassenach?«
»Ja, natürlich ist - mein Gott, was ist denn mit dir passiert?« Jamies Anblick lenkte meine Aufmerksamkeit für den Augenblick von Roger ab. Es war nicht die häßliche Quetschung an seiner Schläfe oder das getrocknete Blut auf seinem Hemd, das mir auffiel, sondern die unnatürliche Weise, wie er seinen rechten Arm hielt.
»Möglicherweise ist mein Arm gebrochen«, sagte er. »Tut ziemlich weh. Kannst du dich darum kümmern?«
Er drehte sich um und schritt davon, ohne eine Antwort abzuwarten. Er setzte sich schwerfällig neben das zerbrochene Bettgestell. Ich drückte Roger kurz und ging hinter ihm her, während ich mich fragte, was zum Teufel… Jamie würde nicht einmal dann vor Roger Wakefield zugeben, daß er Schmerzen hatte, wenn ihm der nackte Knochen zersplittert aus der Haut ragte.
»Was hast du denn vor?« brummte ich und kniete mich neben ihn. Ich befühlte den Arm vorsichtig durch das Hemd - keine komplizierten Brüche. Ich rollte es sorgsam auf, um es mir genauer anzusehen.
»Ich habe ihm das mit Brianna nicht gesagt«, flüsterte er. »Und ich
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