Der Ruf Der Trommel
die Seite und sah zu, wie die glänzenden, schwarzen Buchstaben stumpf wurden, während die Tinte trocknete. »Wenn Roger zurückkäme - ob er nun bleibt oder nicht -, wenn er sich dazu entschließt, unseren kleinen Anonymus anzuerkennen, dann wird er wohl MacKenzie heißen. Wenn nicht, dann denke ich, daß das Baby den Namen seiner Mutter bekommt.«
Er schwieg einen Augenblick und sah den beiden jungen Frauen zu. Sie hatten sich am Morgen die Haare im Bach gewaschen; Lizzie kämmte gerade Briannas Mähne durch, und die langen Strähnen schimmerten wie rote Seide in der Sommersonne.
»Sie nennt sich Fraser«, sagte er leise. »Oder sie hat es zumindest getan.«
Ich legte meinen Federkiel hin und langte über den Tisch, um meine Hand auf seinen Arm zu legen.
»Sie hat dir verziehen«, sagte ich. »Das weißt du genau.«
Seine Schultern bewegten sich; kein richtiges Achselzucken, sondern der unbewußte Versuch, seine innere Spannung etwas zu lösen.
»Fürs erste«, sagte er. »Aber wenn der Mann nicht kommt?«
Ich zögerte. Er hatte völlig recht; Brianna hatte ihm seinen ursprünglichen Fehler verziehen. Doch wenn Roger nicht bald auftauchte, würde sie zwangsläufig Jamie die Schuld daran geben - nicht ohne Grund, das mußte ich zugeben.
»Nimm beide«, sagte er abrupt. »Laß ihr die Wahl.« Ich hatte nicht den Eindruck, daß er Nachnamen meinte.
»Er kommt schon noch«, sagte ich mit Bestimmtheit, »und alles wird gut.«
Ich ergriff den Kiel und fügte nicht ganz lautlos hinzu. »Hoffe ich.«
Er bückte sich, um zu trinken. Das Wasser plätscherte über dunkelgrüne Felsen. Es war ein warmer Tag; Frühling diesmal, nicht Herbst, doch das Moos unter seinen Füßen war unverändert smaragdgrün.
Er wußte kaum noch, wie eine Rasierklinge aussah; sein Bart war dicht, und sein Haar hing ihm über die Schultern herab. Er hatte in der vergangenen Nacht im Bach gebadet, aber er machte sich keine Illusionen über seine Erscheinung. Doch sie kümmerte ihn auch nicht, redete er sich ein. Sein Aussehen spielte keine Rolle.
Er wandte sich humpelnd auf den Weg zurück, wo er sein Pferd stehengelassen hatte. Sein Fuß schmerzte, doch auch das spielte keine Rolle.
Er ritt langsam über die Lichtung, auf der er Jamie Fraser zum ersten Mal begegnet war. Die Blätter waren frisch und grün, und in der Ferne konnte er die heiseren Rufe der Raben hören. Nur die wilden Gräser regten sich zwischen den Bäumen. Er holte tief Luft und spürte einen Stich der Erinnerung, ein zerbrochenes Überbleibsel aus einem früheren Leben, einen Splitter so scharf wie Glas.
Er wandte den Kopf des Pferdes zum Gipfel des Berghanges und trieb es an, indem er es sanft mit seinem gesunden Fuß anstieß. Bald. Er hatte keine Ahnung, wie man ihn empfangen würde, doch das spielte keine Rolle.
Das einzige, was jetzt zählte, war die Tatsache, daß er hier war.
66
Ein Kind von meinem Fleisch und Blut
Es hatte sich schon wieder ein unternehmungslustiges Kaninchen unter den Zaunpfählen meines Gartens durchgegraben. Ein einziges hungriges Kaninchen konnte einen Kohlkopf bis auf die Wurzeln vertilgen, und so, wie es aussah, hatte dieses hier seine Freunde mitgebracht. Ich seufzte und hockte mich hin, um den Schaden zu beheben, indem ich Steine und Erde in das Loch zurückstopfte. Ians Verlust schmerzte mich ständig; doch in Augenblicken wie diesem vermißte ich auch seinen gräßlichen Hund.
Ich hatte eine große Ansammlung von Stecklingen und Samen aus River Run mitgebracht, und das meiste davon hatte die Reise überlebt. Es war Mitte Juni, immer noch - gerade eben - Zeit, um eine neue Möhrenernte anzusetzen. Das kleine Kartoffelbeet war in Ordnung und die Erdnußbüsche ebenfalls; die Kaninchen rührten sie nicht an, und sie hatten auch keine Lust auf die aromatischen Kräuter, bis auf den Fenchel, den sie wie Lakritz vernaschten.
Doch ich wollte aus den Kohlköpfen Sauerkraut machen; wir würden auch mitten im Winter noch etwas essen wollen, das einigermaßen schmeckte und Vitamin C enthielt. Ich hatte noch genug Samen übrig, um einen anständigen Ertrag erzielen zu können, wenn es mir gelang, die verdammten Kaninchen fernzuhalten. Ich trommelte mit den Fingern auf meinem Korb herum und dachte nach. Die Indianer verstreuten Haarbüschel an den Rändern ihrer Felder, doch das war eher zum Schutz gegen das Rotwild als gegen Kaninchen.
Jamie war das beste Abwehrmittel, beschloß ich. Nayawenne hatte mir erzählt, daß der Geruch des
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