Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
sie einen hübschen Edelstein um den Hals hatte«, fügte sie neidisch hinzu.
    »Das ist wahr«, sagte eine tiefere Stimme, die ich als diejenige Lloyd Stanhopes erkannte. »Obwohl es meiner Meinung nach die Fassung war, die bemerkenswert war, nicht der Stein.«
    »Fassung?« Miss Wylie klang verständnislos. »Es gab keine Fassung, der Stein lag einfach nur in ihrem Ausschnitt.«

    »Wirklich?« sagte Stanhope höflich. »Das war mir gar nicht aufgefallen.« Wylie brach in Gelächter aus und hielt abrupt inne, als sich die Tür öffnete und weitere Gäste herauskamen.
    »Tja, mein Guter, vielleicht ist es Euch nicht aufgefallen, anderen aber schon«, sagte er verschmitzt. »Kommt, hier ist der Wagen.«
    Ich berührte den Rubin erneut und sah zu, wie die prachtvollen Grauschimmel der Wylies davontrabten. Ja, andere hatten es auch bemerkt. Ich konnte immer noch den Blick des Barons in meinem Ausschnitt spüren, voll unverhohlener Gier. Ich hatte den Eindruck, daß er nicht nur ein Kenner von Edelsteinen war.
    Der Stein lag warm in meiner Hand, er fühlte sich noch wärmer an als meine Haut, doch das mußte Einbildung sein. Ich trug normalerweise keinen Schmuck außer meinen Eheringen; ich hatte mir nie viel daraus gemacht. Es würde eine große Erleichterung bedeuten, wenigstens einen Teil unseres gefährlichen Schatzes loszuwerden. Und doch saß ich da und wog den Stein in meiner Hand, bis ich beinahe das Gefühl hatte, ich könnte ihn wie ein kleines Herz spüren, im Takt mit meinem Puls.
    Es war nur noch eine Kutsche da, deren Fahrer vorn bei den Pferden stand. Vielleicht zwanzig Minuten später trat ihr Besitzer nach draußen und fügte seinen Abschiedsgrüßen auf Deutsch ein gutgelauntes »Gute Nacht« hinzu, als er in den Wagen stieg. Der Baron. Er hatte bis zum Schluß gewartet und fuhr nun in guter Stimmung heim; das mußte ein gutes Zeichen sein.
    Einer der Lakaien, jetzt ohne den Rock seiner Livree, löschte die Fackeln an der Einfahrt. Ich sah sein Hemd als bleichen Fleck, als er im Dunkeln zum Haus zurückging, dann einen hellen Lichtschein, als sich eine Tür öffnete, um ihn einzulassen. Danach wurde es dunkel, und die Stille der Nacht senkte sich auf das Anwesen.
    Ich war davon ausgegangen, daß Jamie sofort hochkommen würde, doch die Minuten verstrichen, ohne daß seine Schritte erklangen. Ich blickte zum Bett, verspürte aber kein Bedürfnis, mich hinzulegen.
    Schließlich stand ich auf und zog mir das Kleid wieder über, ohne mir jedoch den Umstand mit Schuhen oder Strümpfen zu machen. Ich verließ das Zimmer und ging leise auf nackten Füßen über den Flur, die Treppe hinunter, durch die Pergola zum Haupthaus und durch den Nebeneingang hinein. Bis auf die bleichen Quadrate, die das Mondlicht auf den Boden malte, war es dunkel; die meisten Bediensteten hatten sich wohl gleichzeitig mit den Hausherren und Gästen zurückgezogen. Doch durch das Treppengeländer fiel ein Lichtschein; die Kerzenleuchter im Speisezimmer brannten noch.

    Als ich auf Zehenspitzen an der gebohnerten Treppe vorbeihuschte, hörte ich das Gemurmel von Männerstimmen; Jamies tiefes, weiches Schottisch wechselte mit dem englischen Tonfall des Gouverneurs im intimen Rhythmus des Zwiegesprächs.
    Die Kerzen waren in den Haltern heruntergebrannt. Der Geruch von Bienenwachs hing süß in der Luft, und schwere, duftende Zigarrenrauchwolken schwebten vor der Tür des Speisezimmers.
    Ich bewegte mich geräuschlos und blieb neben der Tür stehen. Von diesem Punkt aus konnte ich den Gouverneur sehen. Er drehte mir den Rücken zu und reckte den Kopf, um sich eine neue Zigarre an der Kerze auf dem Tisch anzuzünden.
    Falls Jamie mich sah, war es ihm nicht anzumerken. Sein Gesicht trug den üblichen Ausdruck ruhiger Freundlichkeit. Die jüngsten Falten der Anspannung um Augen und Mund hatten sich geglättet, und ich konnte an der Haltung seiner Schultern sehen, daß er entspannt und zufrieden war. Mir wurde augenblicklich leichter ums Herz - er hatte also Erfolg gehabt.
    »Ein Gut, das River Run heißt«, sagte er zum Gouverneur. »Oben in den Hügeln hinter Cross Creek.«
    »Ich kenne es«, bemerkte Gouverneur Tryon etwas überrascht. »Meine Frau und ich haben letztes Jahr einige Tage in Cross Creek verbracht; wir haben anläßlich meiner Amtsübernahme eine Rundreise durch die Kolonie gemacht. River Run liegt ein gutes Stück in den Bergen, nicht in der Stadt - eigentlich wohl fast im Gebirge, glaube ich.«
    Jamie lächelte und nippte

Weitere Kostenlose Bücher