Der Ruf Der Trommel
Edwin geduldig. »Seit der Abschaffung der Stempelverordnung…«
Stanhope pickte einen der winzige Krebse von der Platte und schwenkte ihn anklagend in Edwins Richtung.
»Kaum sind wir eine Steuer los, schon taucht die nächste an ihrer Stelle auf. Sie schießen wie Pilze aus dem Boden!«
Er steckte sich den Krebs in den Mund, und man hörte ihn undeutlich murmeln, daß es ihn nicht wundern würde, wenn demnächst noch die Luft besteuert würde.
»Ihr seid erst kürzlich von den Westindischen Inseln gekommen, Madame Fraser?« Auf meiner anderen Seite ergriff Baron Penzler die Gelegenheit, sich ins Gespräch zu mischen. »Ihr werdet wohl kaum mit solchen Provinzgeschichten vertraut sein - oder Euch dafür interessieren«, fügte er hinzu und deutete Stanhope mit einem wohlwollenden Nicken an, daß seine Redezeit vorbei war.
»Oh, jeder interessiert sich für Steuern«, sagte ich und drehte mich leicht zur Seite, um mein Dekolleté möglichst gut zur Geltung zu bringen. »Oder meint Ihr nicht auch, daß Steuern der Preis für eine zivilisierte Gesellschaft sind? Obwohl« - ich nickte zur anderen Seite - »Mr. Stanhope mir nach seiner Geschichte vielleicht bepflichtet, daß der Grad der Zivilisation nicht unbedingt dem Grad der Besteuerung entspricht?«
»Ha, ha!« Stanhope verschluckte sich an einem Stück Brot und spuckte Krümel in alle Richtungen. »Oh, das ist gut! Nicht dem Grad - ha, ha, nein, wirklich nicht!«
Phillip Wylie pflichtet mir mit einem sardonischen Nicken bei.
»Ihr müßt versuchen, nicht ganz so amüsant zu sein, Mrs. Fraser«, sagte er. »Es könnte den Tod des armen Stanhope bedeuten.«
»Äh… was meint Ihr denn, wie hoch zur Zeit die Besteuerungsrate ist?« fragte ich und lenkte taktvoll von Stanhopes Gehuste ab.
Wylie spitzte die Lippen und überlegte. Dandy, der er war, trug er eine hochmodische Perücke, und ein sternförmiges Schönheitspflästerchen klebte neben seinem Mund. Aber hinter dem gutaussehenden, gepuderten Gesicht verbarg sich offenbar auch ein sehr gewitztes Gehirn.
»Oh, wenn man alle Nebenverdienste mit einberechnet, würde ich sagen, können es bis zu zwei von Hundert des Jahreseinkommens sein, wenn man die Sklavensteuern mitzählt. Wenn man die Steuern auf Land und Ernten hinzufügt, wird es vielleicht etwas mehr.«
»Zwei Prozent!« prustete Stanhope und hämmerte sich auf die Brust. »Das schreit zum Himmel! Das schreit einfach zum Himmel!«
Während ich mich lebhaft an meine letzte Steuererklärung erinnerte, pflichtete ich ihm mitfühlend bei, daß eine zweiprozentige Steuerrate wirklich empörend war, und fragte mich gleichzeitig, was zum Kuckuck im Laufe der dazwischenliegenden zweihundert Jahre aus dem Kampfgeist der amerikanischen Steuerzahler geworden war.
»Aber vielleicht sollten wir das Thema wechseln«, sagte ich, denn ich sah, daß man in unsere Richtung zu blicken begann. »Im Haus des Gouverneurs über Steuern zu reden ist doch in etwa so, als unterhielte man sich im Haus eines Gehängten über Seile, oder nicht?«
An dieser Stelle bekam Mr. Stanhope einen ganzen Krebs in den Hals und verschluckte sich ernsthaft.
Sein anderer Tischgenosse hämmerte ihm hilfreich auf den Rücken, und der kleine schwarze Junge, der mit einer Fliegenklatsche am Fenster beschäftigt gewesen war, wurde hastig losgeschickt, um Wasser zu holen. Für den Fall des Falles wählte ich ein scharfes, schmales Messer, das neben der Fischplatte lag, hoffte aber doch, daß ich nicht gezwungen wäre, an Ort und Stelle einen Luftröhrenschnitt durchzuführen, denn diese Art von Aufmerksamkeit wollte ich nicht erregen.
Glücklicherweise erwiesen sich derart drastische Maßnahmen als unnötig; ein Glückstreffer auf den Rücken löste den Krebs, so daß das Opfer purpurrot und japsend, ansonsten aber unbeschädigt davonkam.
»Wo wir gerade von Zeitungen sprechen«, sagte ich, als Mr. Stanhope von seinen Exzessen gerettet war. »Wir sind erst so kurz hier, daß ich noch keine gesehen habe. Wird in Wilmington regelmäßig eine Zeitung gedruckt?«
Ich hatte meine Hintergedanken bei dieser Frage, die nicht nur Mr. Stanhope Zeit geben sollte, sich zu erholen. Unter den wenigen weltlichen Gütern, die Jamie besaß, befand sich eine Druckerpresse, die zur Zeit in Edinburgh gelagert war.
Es stellte sich heraus, daß zwei Drucker in Wilmington ansässig waren, doch nur einer dieser Herren - ein Mr. Jonathan Gilette - stellte regelmäßig eine Zeitung her.
»Und vielleicht ist es
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