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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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schläfrig und erregt zugleich. Er machte ein schlaftrunkenes Geräusch und preßte sich fragend an mich. Seine Hand tastete am Saum meines zerknitterten Hemdes herum.
    »Halt«, sagte ich leise und wehrte seine Hand ab. »Vergiß nicht, wo wir sind, zum Kuckuck!«
    Ich hörte Rufe und Gebell am Ufer, wo Ian mit Rollo herumtollte, in der Kabine regte sich etwas, und Hust- und Spuckgeräusche kündigten Kapitän Freemans bevorstehendes Auftreten an.
    »Oh«, sagte Jamie und kam zu Bewußtsein. »Oh, aye. So ein Jammer.« Er drückte meine Brüste mit beiden Händen und räkelte sich mit wollüstiger Langsamkeit, um mir eine detaillierte Vorstellung davon zu geben, was ich mir entgehen ließ.
    »Na ja«, sagte er, entspannte sich widerstrebend, ließ mich aber noch nicht los. »Foeda est in coitu , hm?«
    »Wie?«

    »›Foeda est in coitu et brevis voluptas‹« , zitierte er gehorsam. » ›Et taedat Veneris statim peractae.‹ Der Akt ist ein schmutziges und kurzes Vergnügen, und kaum ist er vorbei, bereuen wir ihn.«
    Ich blickte auf die schmutzigen Planken unter uns. »Hm, vielleicht ist ›schmutzig‹ gar nicht so verkehrt«, setzte ich an, »aber -«
    »Es ist nicht der Schmutz, der mir Sorgen macht, Sassenach«, unterbrach er und sah grollend zu Ian hinüber, der über der Reling hing und Rollo beim Schwimmen anfeuerte. »Es ist mehr die Kürze.«
    Er sah mich an, und das Grollen verwandelte sich in Anerkennung, als er meine zerzauste Erscheinung von oben bis unten erfaßte. »Ich habe vor, mir dabei Zeit zu lassen, aye?«
     
    Dieser klassische Tagesanbruch schien Jamie nachhaltig beeinflußt zu haben. Während ich in der Nachmittagssonne saß und Daniel Rawlings Krankenbuch durchblätterte - und die Dinge, die hier aufgezeichnet waren, zugleich unterhaltsam, interessant und abstoßend fand - hörte ich, wie sich Jamies Stimme im wohlgeordneten Rhythmus altgriechischer Verse hob und senkte. Ich hörte die Passage nicht zum ersten Mal - ein Ausschnitt aus der Odyssee . Er hielt erwartungsvoll auf einer betonten Silbe inne.
    »Äh…«, sagte Ian.
    »Was kommt dann, Ian?«
    »Äh…«
    »Noch einmal«, sagte Jamie mit leicht gereizter Stimme. »Paß doch auf, Mann. Ich rede hier nicht, weil ich meine Stimme so gern höre, aye?« Er begann von vorn, und der elegante, formelle Vers erwachte zu warmem Leben, als er sprach.
    Er hörte sich vielleicht nicht gern zu, aber ich schon. Ich verstand zwar kein Griechisch, doch das Auf und Ab der Silben in dieser weichen tiefen Stimme war so beruhigend wie das Plätschern des Wassers an der Bordwand.
    Jamie, der sich inzwischen widerstrebend mit der Anwesenheit seines Neffen abgefunden hatte, nahm seine Verantwortung für Ian sehr ernst, und er hatte angefangen, dem Jungen während der Reise Unterricht zu erteilen. Immer wieder benutzte er freie Momente, um dem Jungen die Grundlagen der griechischen oder lateinischen Grammatik beizubringen - oder es zumindest zu versuchen - und seine Kenntnisse in Mathematik und französischer Konversation zu verbessern.
    Glücklicherweise begriff Ian mathematische Prinzipien genauso schnell wie sein Onkel; die Kabinenwand neben mir war mit eleganten
euklidischen Beweisen bedeckt, die sie mit einem angekohlten Stöckchen ausgeführt hatten. Im Sprachbereich hatten sie weniger gemeinsam.
    Jamie war ein geborenes Sprachgenie; er lernte neue Sprachen oder Dialekte ohne sichtbare Anstrengung und schnappte Redewendungen auf, wie ein Hund sich beim Toben durch die Felder Fuchsschwanzgräser einfängt. Außerdem war er an der Pariser Université in den Klassikern unterwiesen worden - und obwohl er ab und zu anderer Meinung war als so mancher römische Philosoph, betrachtete er Homer und Virgil als enge Freunde.
    Ian war mit Englisch und Gälisch aufgewachsen, und von Fergus hatte er eine Art französisches Patois gelernt, das er für seine Zwecke ausreichend fand. Sicher, er besaß ein beeindruckendes Repertoire an Schimpfwörtern in sechs oder sieben weiteren Sprachen - die er sich in jüngster Zeit im Kontakt mit diversen zweifelhaften Vorbildern zugelegt hatte, unter ihnen auch sein Onkel -, doch er hatte nur einen sehr vagen Begriff von den Geheimnissen der lateinischen Konjugation.
    Noch weniger wußte er die Notwendigkeit zu schätzen, Sprachen zu lernen, die er nicht nur für tot hielt, sondern auch für so vergammelt, daß es nicht mehr die geringste Verwendung für sie gab. Homer hatte keine Chance gegen dieses aufregende neue Land, in

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