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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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benutzen, meine ich?«
    »Nein.« Ich schloß den Deckel und strich sanft darüber. Das dunkle Holz war warm und glatt unter meinen Fingern. »Wenn ich an seiner Stelle wäre - ich würde wollen, daß jemand sie benutzt.«
    Ich erinnerte mich lebhaft daran, wie sich mein eigener Arztkoffer angefühlt hatte - Korduanleder, und meine Initialen waren mit Gold in den Tragegriff geprägt. Geprägt gewesen, um genau zu sein; sie waren schon lange abgegriffen, und das Leder war vom Gebrauch glatt
und glänzend und dunkel geworden. Frank hatte mir die Tasche zum Examen geschenkt, und ich hatte sie meinem Freund Joe Abernathy gegeben, weil ich wollte, daß sie jemand benutzte, der sie genauso schätzte wie ich.
    Er sah den Schatten über mein Gesicht gleiten - woraufhin sich auch sein Gesicht verdunkelte -, doch ich nahm seine Hand und lächelte, als ich sie drückte.
    »Es ist ein wunderbares Geschenk. Wie hast du es nur gefunden?«
    Da lächelte er zurück. Die Sonne hing jetzt tief, ein strahlender, orangeroter Ball, der kurz durch dunkle Baumwipfel spähte.
    »Ich hatte die Kiste gesehen, als ich im Laden des Goldschmieds war - die Frau des Goldschmieds hatte sie in Verwahrung. Dann bin ich gestern noch einmal hingegangen, weil ich dir ein Schmuckstück kaufen wollte - vielleicht eine Brosche -, und während die Frau mir die Auslagen zeigte, haben wir uns über dies und jenes unterhalten, und sie hat mir von dem Doktor erzählt, und -«
    »Warum wolltest du mir Schmuck kaufen?« Ich sah ihn erstaunt an. Der Verkauf des Rubins hatte uns zwar ein bißchen Geld eingebracht, doch Verschwendungssucht war überhaupt nicht seine Art, und unter den gegenwärtigen Umständen -
    »Oh! Weil du Laoghaire das ganze Geld geschickt hast? Das hat mich nicht gestört; das habe ich doch gesagt.«
    Er hatte - etwas widerwillig - dafür gesorgt, daß der Großteil des Erlöses, den wir beim Verkauf des Rubins erzielt hatten, nach Schottland geschickt wurde. Damit zahlte er ein Versprechen ab, das er Laoghaire MacKenzie - hol’ sie der Teufel - Fraser gemacht hatte, die er auf Drängen seiner Schwester geheiratet hatte, als er unter dem völlig logischen Eindruck stand, daß ich, wenn ich auch nicht tot war, so doch niemals zurückkommen würde. Meine augenscheinliche Auferstehung von den Toten hatte jede Menge Komplikationen nach sich gezogen, und Laoghaire war nicht die geringste davon gewesen.
    »Aye, das hast du gesagt«, sagte er mit unverhohlenem Zynismus.
    »Ich habe es auch so gemeint - mehr oder weniger«, sagte ich und lachte. »Du konntest die Schreckschraube ja nun einmal nicht verhungern lassen, so verlockend die Idee auch ist.«
    Er lächelte schwach.
    »Nein. Das würde ich ungern auf mein Gewissen laden; darauf lastet auch so schon genug. Aber das ist nicht der Grund, warum ich dir ein Geschenk kaufen wollte.«
    »Warum denn dann?« Die Kiste war schwer, ein ansprechendes, greifbares, befriedigendes Gewicht auf meinen Beinen, ihr Holz eine
wahre Freude unter meinen Händen. Da wandte er den Kopf und sah mich direkt an. Sein Haar flammte in der untergehenden Sonne auf, sein Gesicht war eine dunkle Silhouette.
    »Heute vor vierundzwanzig Jahren habe ich dich geheiratet, Sassenach«, sagte er leise. »Ich hoffe, daß du bis jetzt keinen Grund siehst, das zu bedauern.«
     
    Das Land entlang des Flusses war besiedelt; von Wilmington bis Cross Creek war es mit Plantagen gesäumt. Doch die Ufer selbst waren dicht bewaldet, und nur ab und zu gab eine Lücke zwischen den Bäumen den Blick auf Felder frei, oder hier und dort tauchte halb unter dem Laub versteckt ein hölzerner Anlegeplatz auf.
    Wir fuhren langsam flußaufwärts, folgten der Gezeitenwelle, so weit sie uns trug, und legten für die Nacht an, wenn sie verebbte. Wir aßen an einem kleinen Feuer am Ufer zu Abend, schliefen aber an Bord, denn Eutroclus hatte beiläufig erwähnt, daß es hier Wassermokassinschlangen gebe. Diese - so sagte er - lebten in Höhlen an der Uferböschung, kamen aber mit Vorliebe heraus, um sich an ahnungslosen Schläfern zu wärmen.
    Ich erwachte kurz vor der Dämmerung, steif und verspannt vom Schlafen auf den Planken. Ich hörte das sanfte Rauschen eines Schiffes, das in der Nähe vorbeifuhr, und spürte, wie sein Kielwasser gegen unsere Bordwand schlug. Jamie regte sich im Schlaf, als er meine Bewegungen spürte, drehte sich um und drückte mich gegen seine Brust.
    Ich spürte seinen Körper hinter mir, wie jeden Morgen paradoxerweise

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