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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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das Bewußtsein, und seiner Agonie war für den Moment ein Ende gesetzt, und auch seinen Bewegungen, die mich sehr bei meiner Arbeit behinderten.
    Nach der erfolgreich durchgeführten Amputation wurde der Herr zu Bett gebracht, doch ich blieb in der Nähe für den Fall, daß er jählings wieder zu Bewußtsein käme und mit einer zufälligen Bewegung meine Naht beschädigte.
     
    Diese faszinierende Erzählung wurde durch einen Ausruf Jamies unterbrochen, der offensichtlich am Ende seiner Geduld war.
    »Ian, dein Latein ist eine Affenschande! Und was den Rest angeht, so kannst du ja noch nicht einmal genug Griechisch, um Wasser von Wein zu unterscheiden!«
    »Wenn man es trinkt, ist es kein Wasser«, murmelte Ian in aufmüpfigem Ton.
    Ich klappte das Buch zu und stand hastig auf. Es klang ganz so, als würden hier in Kürze die Dienste eines Schiedsrichters benötigt. Ian gab leise, schottische Unmutsäußerungen von sich, während ich die Kabine umrundete.
    »Aye, mpf, aber ich interessiere mich doch gar nicht so-«
    »Aye, du interessierst dich nicht dafür! Das ist das Allertraurigste daran, daß du dich für deine Ignoranz nicht einmal schämst.«
    Danach kam eine gespannte Pause, die nur durch das leise Plätschern von Eutroclus’ Staken am Bug unterbrochen wurde. Ich blickte
um die Ecke und sah Jamie, der seinen zerknirscht wirkenden Neffen wütend anstarrte. Ian warf mir einen Blick zu, hustete und räusperte sich.
    »Also, ich sag’ dir, Onkel Jamie, wenn ich glauben würde, daß es hilft, mich zu schämen, dann hätte ich keine Skrupel, rot zu werden!«
    Er setzte eine so überzeugende Armesündermiene auf, daß ich lachen mußte. Als Jamie mich hörte, drehte er sich um, und sein finsteres Gesicht hellte sich etwas auf. »Du bist mir aber auch keine große Hilfe, Sassenach«, sagte er. »Du kannst doch Latein, oder? Als Ärztin mußt du das doch. Vielleicht sollte ich dir seinen Lateinunterricht überlassen, aye?«
    Ich schüttelte den Kopf. Zwar konnte ich Latein - mehr schlecht als recht - lesen, doch ich hatte keine Lust, Ian die Überreste meiner Ausbildung einzutrichtern.
    »Alles, was ich noch weiß, ist Arma virumque cano .« Ich sah Ian an und übersetzte grinsend: »Mein Arm wurde von einem Hund gebissen.«
    Ian brach in Gekicher aus, und Jamie warf mir einen zutiefst desillusionierten Blick zu.
    Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Jamie und Ian hatten körperlich nichts gemeinsam außer ihrer Größe, doch sie hatten beide dichtes Haar und teilten die Angewohnheit, sich mit der Hand hindurchzufahren, wenn sie aufgeregt waren oder nachdachten. Der Unterricht schien anstrengend gewesen zu sein - sie sahen beide so aus, als hätte man sie rückwärts durch eine Hecke geschleift.
    Jamie lächelte mich trocken an und wandte sich dann wieder kopfschüttelnd an Ian.
    »Nun gut. Ich blaffe dich nicht gern an, Ian, wirklich nicht. Aber du hast doch Verstand, und ich sähe es nicht gern, wenn du den verschwendetest. Himmel, Mann, in deinem Alter war ich in Paris und hatte schon mein Studium an der Université angefangen.«
    Ian stand da und sah hinunter in das Wasser, das in glatten, braunen Wellen am Schiffsrumpf entlangwirbelte. Seine Hände lagen auf der Reling; große Hände, breit und sonnengebräunt.
    »Aye«, sagte er. »Mein Vater war in meinem Alter auch in Frankreich. Im Krieg.«
    Ich war ein wenig erschrocken, das zu hören. Ich hatte gewußt, daß der ältere Ian eine Zeitlang in Frankreich gekämpft hatte, aber nicht, daß er so früh Soldat geworden war - und so lange dort geblieben
war. Der junge Ian war gerade fünfzehn. Sein Vater hatte also von diesem Alter an als Söldner gedient, bis er zweiundzwanzig war. Dann hatte ihm eine Kartätsche das Bein so schlimm zerschmettert, daß es dicht unter dem Knie amputiert werden mußte - und er war für immer heimgekehrt.
    Jamie sah seinen Neffen einen Moment lang mit einem leichten Stirnrunzeln an. Dann stellte er sich neben Ian, lehnte sich nach hinten und hielt sich mit den Händen an der Reling fest.
    »Das weiß ich, aye?« sagte Jamie leise. »Schließlich bin ich ihm gefolgt, als ich geächtet wurde.«
    Jetzt blickte Ian verblüfft auf.
    »Ihr wart zusammen in Frankreich?«
    Die Bewegung des Schiffes verursachte einen leichten Fahrtwind, aber es war immer noch heiß. Vielleicht brachte die Temperatur Jamie zu der Überzeugung, daß es besser war, die hehre Bildung für einen Augenblick zu vergessen, denn er nickte und hob

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