Der Ruf Der Trommel
Jamies.
»Na du«, sagte ich. Ich hielt ihm meine Hand zum Beschnüffeln hin und er ließ sich höflich dazu herab, mich seine Ohren kratzen zu lassen. »Und wo ist dein Herrchen, hm?«
»In der Kabine; läßt sich neue Tricks beibringen, mit denen man beim Kartenspiel betrügen kann«, sagte Jamie ironisch. »Weiß Gott, was aus dem Jungen einmal wird; wenn er nicht erschossen wird oder in einer Wirtschaft eins über den Schädel bekommt, kommt er wahrscheinlich demnächst mit einem Emu nach Hause, den er beim Pharo gewonnen hat.«
»In den Bergen wird es doch wohl weder Emus noch Pharospiele geben, oder? Wo es keine richtigen Städte gibt, gibt es doch sicher auch keine richtigen Wirtshäuser.«
»Ich glaube es kaum«, gab er zu. »Doch wenn ein Mann vor die Hunde gehen soll, dann findet er auch einen Weg dorthin, egal, wo man ihn absetzt.«
»Ich bin mir sicher, daß Ian nicht vor die Hunde geht«, sagte ich beruhigend. »Er ist ein guter Junge.«
»Er ist ein Mann«, verbesserte Jamie. Er neigte sein Ohr zur Kabine, aus der gedämpftes Lachen und gelegentlich eine behäbige Obszönität ertönten. »Allerdings ein verdammt junger, und dickköpfig dazu.« Er sah mich an, und im Laternenschein sah ich ein reumütiges Lächeln.
»Wenn er noch ein kleiner Junge wäre, könnte ich ihn im Zaum halten. Aber so -« Er zuckte die Achseln. »Er ist alt genug, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, und er wird es mir nicht danken, wenn ich meine Nase da hineinstecke.«
»Er hört immer auf dich«, protestierte ich.
»Mmpf. Warte nur, bis ich ihm etwas sage, was er nicht hören will.« Er lehnte den Kopf an die Wand und schloß die Augen. Schweiß glänzte auf seinen hohen Wangenknochen, und ein kleines Rinnsal lief ihm den Hals hinunter.
Ich streckte einen Finger aus und schnippte den kleinen Tropfen vorsichtig weg, bevor er sein Hemd erreichte.
»Seit zwei Monaten sagst du ihm, daß er nach Schottland zurück muß; ich glaube nicht, daß er das hören will.«
Jamie öffnete die Augen und betrachtete mich zynisch.
»Ist er in Schottland?«
»Äh…«
»Mmpf«, sagte er und schloß die Augen wieder.
Ich saß eine Weile still da und tupfte mir mit einer Rockfalte den Schweiß aus dem Gesicht. Der Fluß hatte sich hier verengt; das eine Ufer war kaum mehr als drei Meter entfernt. Ich hörte eine raschelnde Bewegung in den Büschen, und ein glänzendes Augenpaar reflektierte das Licht unserer Laterne.
Rollo hob mit einem leisen Wuff! den Kopf und stellte die Ohren wachsam auf. Jamie öffnete die Augen, blickte zum Ufer und setzte sich dann abrupt auf.
»Himmel! Das ist die größte Ratte, die ich je gesehen habe.«
Ich lachte.
»Das ist keine Ratte, das ist ein Opossum. Siehst du die Jungen auf dem Rücken?«
Jamie und Rollo bedachten das Opossum mit berechnenden Blikken und versuchten, sein Gewicht und seine Geschwindigkeit abzuschätzen. Vier kleine Opossums starrten ernst und mit zuckenden Nasen zurück. Ihre Mutter hielt das Boot offensichtlich nicht für eine Bedrohung, trank ungerührt zu Ende, drehte sich um und wackelte langsam in den Busch zurück. Die Spitze ihres nackten, rosafarbenen Schwanzes verschwand, als der Laternenschein verblaßte.
Beide Jäger gaben einen Seufzer von sich und entspannten sich wieder.
»Myers hat gesagt, man kann sie gut essen«, bemerkte Jamie sehnsüchtig. Ich seufzte meinerseits leise, griff in meine Rocktasche und gab ihm einen Stoffbeutel.
»Was ist das?« Er lugte interessiert in den Beutel und schüttelte sich dann die kleinen, braunen Kügelchen in die Handfläche.
»Geröstete Erdnüsse«, sagte ich. »Sie wachsen hier, unter der Erde. Ich habe einen Bauern gesehen, der sie als Schweinefutter verkaufte, und die Wirtin hat ein paar davon für mich geröstet. Man entfernt die Schale, bevor man sie ißt.« Ich grinste ihn an und genoß das völlig neue Gefühl, ausnahmsweise einmal mehr über unsere Umgebung zu wissen als er.
Er warf mir einen säuerlichen Blick zu, zerdrückte eine Nußschale zwischen Daumen und Zeigefinger und brachte drei Nüsse zum Vorschein.
»Ich bin unwissend, Sassenach«, sagte er. »Kein Dummkopf. Das ist der Unterschied, aye?« Er steckte eine Nuß in den Mund und biß zögernd zu. Seine skeptische Miene verwandelte sich in erfreute Überraschung; er kaute mit wachsender Begeisterung und schob sich die anderen Nüsse in den Mund.
»Schmeckt’s?« Ich lächelte und genoß sein Vergnügen. »Ich mach’ dir
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