Der Ruf Der Walkueren
Hüte von Fliegenpilzen. Ohne sich Rechenschaft darüber abzulegen, kniete er nieder, grub sie aus und verstaute sie in seiner Gürteltasche.
Bald gelangte er an eine Stelle, wo der Rhein sich verbreiterte und daher ruhiger dahinfloss. Am gegenüberliegenden Ufer befand sich das Haus des Fährmanns, dort lag auch das Floß am Ufer. »He-ho!«, rief er. Nachdem er den Ruf dreimal wiederholt hatte, öffnete sich die Tür, und der Fährmann tauchte auf. »Rudere her zu mir!«
»Wer bist du?«, brüllte der Mann zurück.
»Ich gehöre zu Jarl Elsungs Gefolge«, log der Waffenmeister, der wohl wusste, dass der Fährmann dem feindlichen Jarl unterstand.
»Was gibst du mir, wenn ich dich übersetze?«
Hagen holte einige Goldsolidi, wie sie zur Entlohnung fränkischer Söldnertruppen von den Römern gezahlt worden waren, aus seiner Gürteltasche. »Genügt das?«
Ohne ein weiteres Wort sprang der Mann auf sein Floß und begann herüberzurudern, ein muskulöser Kerl, dessen Kleidung verriet, dass er schon bessere Tage gesehen hatte. Von seiner Arbeit schien er aber etwas zu verstehen; geschickt nutzte er die Strömung, um voranzukommen. »Ihr gehört nicht zu Jarl Elsungs Gefolge«, sagte er, kaum dass er das diesseitige Ufer erreicht hatte. »Ich kenne Euch, Ihr seid Hagen, der Waffenmeister der Niflungen und ein Feind meines Herrn. Ich setze Euch nicht über.« Er ergriff die Ruderstange, um zurückzufahren.
Hagen sprang hinter dem Mann auf die Fähre und setzte ihm die Spitze seines Schwertes an den Hals. »Ihr werdet nicht nur mich, sondern auch die Männer, die zu mir gehören, übersetzen, wenn Euch Euer Leben lieb ist!«
Der Fährmann knurrte etwas, ergriff aber wortlos die Ruderstange. Den Anweisungen des Waffenmeisters folgend, ruderte er aus Leibeskräften gegen die Strömung an und war im Nu in Schweiß gebadet. Endlich erreichten sie das Lager der Niflungen. Angesichts der vielen Bewaffneten erschrak Elsungs Gefolgsmann, aber wieder schwieg er und vertäute die Fähre am Ufer.
Gunter hatte seine Krieger in Gruppen eingeteilt. Die erste war schon bereit und wartete ungeduldig. Ohne den Fährmann aus dem Auge zu lassen, winkte der Waffenmeister die Männer herbei. Mürrisch luden sie sich ihr Gepäck auf die Schultern; das feuchte Wetter machte sie misslaunig.
Trotz Hagens Vorsicht sprang der Fährmann plötzlich wieselflink davon, in einem Tempo, das man dem plumpen Kerl nicht zugetraut hätte. »Haltet ihn auf!«, schrie der Waffenmeister und setzte ihm nach, aber die Niflungen waren zu verdutzt, um zu reagieren. Hagen fluchte und riss noch im Laufen sein Schwert aus der Scheide.
Der Fährmann kannte das Gelände und hatte einen Vorsprung, es gelang ihm jedoch nicht, diesen auszubauen. Er schnaufte bereits, seine Lungen rasselten. Er hoffte, den nahen Wald zu erreichen und in dessen Schutz zu entkommen, doch ein Blick über seine Schulter belehrte ihn, dass sein Widersacher bereits gefährlich nahe war. Überstürzt schlug er einen Haken und versuchte jetzt, zum Fluss zu entkommen, um sich schwimmend zu retten.
Die Jagd war von kurzer Dauer. Hagen holte den Fährmann noch vor dem Fluss ein und versetzte ihm im Laufen einen solchen Hieb mit dem Schwert, dass der Kopf glatt vom Rumpf getrennt wurde und in ein nahes Gebüsch kollerte. Keuchend hielt der Waffenmeister inne. Als er wieder bei Atem war, wischte er das blutige Schwert an der Leiche des Fährmanns ab und steckte es in die Scheide. Dann packte er die Füße des Toten und schleifte ihn zum Rhein, wo er den leblosen Rumpf ins Wasser stieß. Der Fluss riss ihn sofort mit. Hagen machte kehrt, holte den blutigen Kopf aus dem Gebüsch und ergriff ihn bei den Haaren, um ihn hinterherzuwerfen. Nachdem das geschehen war, ging er ohne Eile zum Lager zurück. Fragende Blicke empfingen ihn. »Es ist erledigt«, sagte er. »Ich habe ihn zur Hel geschlagen.«
»Wir hätten ihn für die Überfahrt gebraucht«, grollte Gislher. »Es war nicht nötig, ihn zu töten.«
»Er hätte ohnehin sterben müssen. Sein erster Weg hätte ihn zu Jarl Elsung geführt. Und was, glaubst du, würde der tun, wenn er erführe, dass die meisten wehrfähigen Männer aus Niflungenland fort sind und die Burg nur mehr von Königin Oda regiert wird?«
Gislher erbleichte. Er öffnete den Mund zu einer Entgegnung, schloss ihn wieder und stapfte wütend zu seinem Pferd.
Gelassen ging Hagen zum Floß. Die Krieger, die sich bereits darauf befanden, sahen ihn unschlüssig an. Er
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