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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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aber die Wahl wird kleiner.« Skuld zerriss mit ihren Nägeln einige noch nicht verwobene Schussfäden, während sie neues Gedärm an lose Enden knüpfte.
    Verdandi wob ein Muster aus dem sich verändernden Fadengeflecht und sang:
     
»Wort führt zu Wort,
Tat führt zu Tat.
Gesprochenes Wort
fliegt frei im Wind;
kein Krieger zwingt es
zurück in die Kehle.«
     
    Hagen riss sich zusammen. »Mein König geht zu Attala«, sagte er fest. »Und Hagen geht mit seinem König.«
    Wieder warf Skuld die Runenstäbe und knüpfte in Windeseile lose Enden neu, die Verdandi in das Gewebe integrierte, während Urd den fertigen Teil des Stoffes spannte und darauf achtete, dass nichts durcheinander kam. Sie war es, die ihn ansah, mit einem mitleidigen Blick, der schärfer in sein Herz schnitt als die Klinge eines Schwertes. »Wenn ihr den Rhein durchquert, wird nur ein Einziger von euch wohlbehalten zurückkehren.«
    »Wer?«, fragte Hagen, ehe er es verhindern konnte, und biss sich auf die Zunge. Lieber wäre ihm gewesen, die Antwort nicht zu kennen, aber, wie Verdandi gesagt hatte: Ein gesprochenes Wort konnte niemand zurücknehmen.
    »Der Diener des Christengottes.«
    Hagen setzte zu einer Erwiderung an, doch Skuld unterbrach ihn. »Es ist zu spät. Du hast gewählt.« Ihre Finger bewegten sich wieder, und plötzlich hielt sie einen einzelnen Faden zwischen ihren krallenbewehrten Händen. Hagen fühlte, wie ihm der Schweiß den Nacken hinunterlief. Es war sein Leben, das sie da in der Hand hielt, er wusste es. Er spürte es. Sie sah ihm durch sein eigenes Auge ins Zentrum seines Herzens, wo er sich nicht verstecken konnte, und mit einem Geräusch, das ihm durch Mark und Bein ging, zerriss sie den Faden bis auf einen kleinen Rest. »Du hast das Urteil der Nornen nahezu abgenutzt.«
    Hagen fühlte seine Handflächen brennen, und als er sie erschrocken hochriss, entdeckte er perthrō , die Schicksalsrune, das Zeichen der Nornen, in jeder von ihnen.
    »Geh zurück«, sagte Urd mitleidig, »und tu, was du tun musst.«
    Blind wandte Hagen sich um. Auf halbem Weg zwang ihn ein bohrender Schmerz in seinem Kopf auf die Knie. Wie toll rasten die Flammen durch sein linkes Auge, und dann war wieder jenes Zwielicht um ihn, das mit ihm spielte und ihm Bilder vorgaukelte, und die Welt war flach. Mimir hatte seine Leihgabe zurückgeholt.
    Wie er den Rückweg fand, wusste er nicht zu sagen, denn er sah und hörte nichts und stolperte durch Gebüsch, bis er vor dem Lager stand. Ansgar hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Hagen ging zu seinem Schlafplatz, wickelte sich in sein Wolfsfell und schloss die Lider. Seine Gedanken waren leer, so leer wie sein Herz, er atmete und lebte ohne eigenes Zutun, und schließlich fiel er ebenso willenlos in einen Schlaf.
4
    Als Hagen am nächsten Morgen erwachte, griff er als Erstes nach seinem linken Auge. Natürlich war es verschwunden, und irgendwie war dies das Bitterste, bitterer als die Erkenntnis, dass sie in den Tod ritten. Er fühlte sich wie jemand, der um ein Versprechen betrogen wurde. Natürlich gab es auch keine Eibe in weitem Umkreis, nicht einmal einen Teich. Hagen wollte Ansgar nach ungewöhnlichen Vorkommnissen fragen, aber aus Gründen, die er selbst nicht verstand, unterließ er es. Doch als er seine Hände öffnete, war in jede Innenfläche die Schicksalsrune eingebrannt.
    Der Boden hatte sich gegen Morgen merklich abgekühlt, sämtliche Felle waren feucht. Die Männer fluchten, als sie sich aus ihren klammen Decken wickelten, reckten sich steif und brachten ihre Blutzirkulation in Bewegung, bis die Kälte in den Knochen erträglich wurde.
    Gernholt war dabei, seine Decke zusammenzulegen, als ihn Seitenstechen befiel. Schon beim Aufstehen hatte er Brustschmerzen gehabt, die jetzt durch einen Hustenanfall noch verstärkt wurden. Ein Alb stich! Ein Dämon hatte ihm den Leidensspeer in die Seite gestoßen! Gernholt unterdrückte seine Furcht. Er würde niemandem verraten, dass er das Opfer bösartiger Geister war. Gunter mochte auf den Gedanken kommen, ihn nach Tolbiacum zurückzuschicken. Einen wertlosen Krüppel mitnehmen zu müssen, war schlimm genug, ein von Dämonen gezeichneter Krüppel eine Last.
    Nach einem kargen Frühstück machte sich Hagen flussabwärts auf die Suche nach dem Fährmann, der die Duna-Müdung befuhr. Herbstlaub bedeckte den Rhein, Abertausende farbenfroher Blätter wurden von der Strömung davongetragen. Unter einer Eiche entdeckte der Waffenmeister die roten

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