Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
Vom Netzwerk:
der wie ein Todesbote überall gleichzeitig aufzutauchen schien, aber er konnte sich nicht um ihn kümmern, weil zwei Niflungen auf ihn eindrangen und seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen.
    Der Berserker war nicht aufzuhalten. Mit animalischer Wildheit riss er Fleischstücke aus Menschenleibern, biss in Halsschlagadern und zerfetzte Blutgefäße, wo er nur konnte. Vereinzelt gelang es einem Krieger, ihm eine Wunde zu versetzen, eine nur, zu einer zweiten blieb niemandem Zeit. Der Wolf bemerkte es nicht einmal. Er empfand keinen Schmerz. Die Kampfekstase machte ihn unempfindlich für alles, was mit ihm geschah.
     
    Das Gemetzel nahm kein Ende. Den ganzen Tag rannten die Überlebenden gegeneinander an. Die Dämmerung brach herein, und noch immer wurde gekämpft. Die meisten Männer waren bereits tot, nur noch vereinzelte Krieger hieben erschöpft die Klingen aufeinander. Der Blutgeruch war unerträglich. Außerdem stank es nach Kot, Urin und Erbrochenem. Es wimmelte von aasfressenden Fliegen.
    Der Mannwolf war noch am Leben. Seit dem Morgengrauen hatte er ununterbrochen getötet, und er fühlte keinerlei Erschöpfung. Ebenso wenig wie er spürte, dass er eines seiner Beine nur noch an Sehnen nachschleppte. Wie ein Schatten huschte er zwischen den Häusern entlang, getrieben vom Geruch des Blutes. Jagen! , dachte er. Töten! Sein Instinkt verriet ihm, dass Beute in der Nähe war. Er hörte und roch klarer als je zuvor; es schien, als hätte er mit dem Menschsein auch dessen stumpfe Sinne abgestreift und wieder Zugang zu tiefer liegenden Bewusstseinszuständen erhalten.
    Eckewart hatte Angst. Er wusste, dass der Mannwolf hinter ihm her war. Sein taubes Ohr erschwerte ihm die Orientierung. Irgendwo da vorn war das unheimliche Wesen und suchte ihn. Zitternd kauerte der Sachse in seinem Versteck, einen Speer in der Hand. Sein Schwert hatte er irgendwo verloren, er konnte sich nicht erinnern, wo das gewesen war, er konnte nicht mehr klar denken. Schon als Mensch hatte er Hagen gefürchtet, jetzt, als Tier, war der Einäugige für ihn die Verkörperung blanken Entsetzens.
    Der Mannwolf konnte den Krieger nicht sehen, aber Nase und Ohren verrieten ihm, dass er ihm hinter einem Leichenberg auflauerte. Der Wolf spannte Muskeln und Sehnen an und setzte seine Berserkerwut frei. Wie ein Dämon sprang er seine Beute an, fuhr ihr an die Kehle und ließ seinem Blutdurst freien Lauf. Eckewart hatte ihn nicht kommen gehört, zu spät wirbelte er den Speer herum. Sein Stoß kam ungezielt, drang der Kreatur in die Seite und blieb dort stecken. Dann spürte Eckewart Wogen warmen Blutes über seinen Brustkorb rinnen, vernahm das Knacken von Knochen und Knorpeln und begriff bestürzt, dass es sein eigener Tod war, den er hörte. Ich hatte recht, den Einäugigen zu fürchten , war das Letzte, was er dachte.
     
    Zu seiner eigenen Verblüffung lebte Gislher noch. Es war Sigfrids Schwert, das ihn am Leben erhielt; mühelos durchschnitt es Brünnen, Knochen, Fleisch, ohne Unterschied. Mimungs Hunger war grenzenlos. Nicht der Niflunge beherrschte das Schwert, sondern das Schwert beherrschte ihn. Es wusste, wohin es wollte, und zerrte ihn einfach mit, und Gislher folgte ihm willenlos. Es jauchzte, wenn es in eine Brünne fuhr, jubelte, wenn es einen Schädel spaltete. Zu anderen Zeiten hätte den Niflungen das Grauen gepackt angesichts der Leichtigkeit, mit der er tötete, doch die Schlacht hatte ihn abgestumpft.
    Hillebrand stellte sich ihm in den Weg, aber auch er war Mimung nicht gewachsen. Die Hiebe, die unermüdlich auf ihn niederprasselten, rissen Stück um Stück seines Schildes fort.
    Plötzlich glitt ein Schatten über das Gesicht des Niflungen.
    Gislher sah auf, und seine Züge wurden aschgrau. Eine brünnebewehrte Kriegerin stand vor ihm, schrecklich anzusehen mit ihrem flammenden Haar und dem blutverschmierten Gesicht, das zu einer dämonischen Fratze entstellt war. In den klauenartigen Händen hielt sie einen schartigen Speer, dessen Spitze schwärzer war als die Dunkelheit der Nacht, als hätte ein Schmied die Leere zwischen den Sternen an die Stange geschmiedet. Sie richtete ihre Raubvogelaugen auf den Niflungen und bannte ihn damit.
    Es war, als hätten ihre Augen die Zeit angehalten. Hillebrand erstarrte mitten in der Bewegung, während Gislher in aller Ruhe die unheimliche Gestalt der Frau betrachten konnte. Er wollte sich abwenden, um ihrem Blick zu entkommen, doch ihre Augen ließen ihn nicht los, und seine Glieder

Weitere Kostenlose Bücher