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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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brachte Hagen sein Pferd näher an das des Gegners. Auf kurze Distanz war das Schwert wertlos. Hart bedrängt suchte der Hagere, dem mörderischen Blutdurst des Waffenmeisters zu entgehen. Sein überlegenes Grinsen war verschwunden; zum ersten Mal empfand er Angst angesichts dessen, was er im verschleierten Auge seiner vermeintlichen Beute erblickte.
    Der dritte Mann galoppierte über die Brücke, um seinen Kameraden zu Hilfe zu eilen, und näherte sich Hagen von hinten. Der warf sich zur Seite, um dem tödlichen Hieb zu entgehen. Das Schwert glitt ab und traf das Pferd, das einknickte und vor Schmerzen wieherte. Geschickt rollte sich Hagen ab und kam sofort wieder auf die Beine. Er wartete nicht, bis die Wegelagerer erneut angriffen. Mit einem Satz sprang er hinter dem Narbengesicht auf das Pferd und schnitt ihm die Kehle durch. Blut sprudelte in hohem Bogen hervor und besudelte den Waffenmeister, er beachtete es nicht. Seine Instinkte hatten die Herrschaft übernommen, und er überließ sich ihnen freudig. In ihm loderte die Flamme der Kampfekstase, er war erfüllt von einer dunklen, tödlichen Art von Jubel.
    Der Anführer der Wegelagerer nutzte die Gelegenheit und drang auf ihn ein, während Hagen den Leichnam des Narbigen vom Pferd kippte. Das Tier scheute, als es den Blutgeruch wahrnahm, diese Bewegung rettete ihm das Leben. Er wurde abgeworfen, der Stoß des Kahlköpfigen ging fehl. Wie der Blitz war Hagen auf den Beinen und stach nach dem Arm des Mannes, verfehlte ihn jedoch. Der Hagere hatte noch nie solch einen Dämon kämpfen sehen. Er wollte sein Pferd wenden und fliehen, aber der Waffenmeister stach dem Tier rücksichtslos den Dolch in den Leib, dass es ächzend zusammenbrach. Panisch befreite sich der Kahlkopf von dem Kadaver und schlug unkontrolliert nach seinem Gegner, doch sein Schicksal war bereits besiegelt gewesen, als er Hagens Weg gekreuzt hatte. Das Schwert fuhr in den Oberschenkel des Waffenmeisters, der es nicht einmal bemerkte. Mit ganzem Gewicht rammte er dem Kahlkopf seinen Dolch in den Bauch, schlitzte ihn von oben bis unten auf, tobte und raste, bis er endlich registrierte, dass kein Leben mehr in dem zuckenden Bündel Fleisch war.
    Keuchend hielt er inne, sein Auge wurde wieder klar. Hagen erwachte aus seinem Blutrausch. Nur ungern ließ er das heiße Gefühl gehen, das ihn erfüllt und ihm für eine kleine Weile Wärme gespendet hatte. Nur ungern ließ er Kälte und Dunkelheit wieder in sich hinein. Er betrachtete das Blutbad, das er angerichtet hatte, und stöhnte. Es war viele Jahre her, dass er sich das letzte Mal der Berserkerwut überlassen hatte, und damals nur nach gründlicher Vorbereitung. Noch nie war die Verwandlung ungerufen über ihn gekommen. Hagen barg sein Gesicht in den blutigen Händen. Er hatte von dem Fluch gehört, der die ergriff, die sich zu oft in einen Mannwolf verwandelten. Die Grenze zwischen Mensch und Tier wurde kleiner, das Tier erlangte nach und nach die Herrschaft, bis der Berserker vergaß, dass er einst ein Mensch gewesen war. Er hatte solche gesehen, die den Weg zurück nicht mehr fanden. Sie mussten abgeschlachtet werden wie räudige Hunde, denn sie waren eine Gefahr für die menschliche Gemeinschaft. Der Waffenmeister stöhnte noch einmal. Er wollte nicht enden wie sie!
    Es hatte eine Zeit gegeben, da er nicht über die Folgen nachdachte. Damals war er stolz gewesen, zu den auserwählten Kriegern zu gehören, den gefürchteten Berserkern, die eine Schlacht entscheiden konnten. Und er war der Beste gewesen. Hagen lachte bitter. Was blieb einem übrig, wenn man die anderen die eigene Herkunft vergessen lassen wollte, als der Beste zu werden? In ihrer Mitte konnte er die Erinnerung daran auslöschen, wer er war. Sie bildeten eine verschworene Gemeinschaft von Ausgestoßenen, gefürchtet und verachtet von den Menschen, die sie brauchten und duldeten, aber nicht liebten. Eine seltsame Art von Sippenfrieden herrschte zwischen ihnen, ein kaltherziger Friede, der alles, was außerhalb seines Kreises lag, als Beute ansah, die zerrissen werden durfte.
    Als er Aldrian traf, hatte er erkannt, dass er noch einmal eine Chance bekam, und sie von ganzem Herzen ergriffen. Er schwor sich, niemals wieder die unsichtbare Linie zu überschreiten. Aldrian vertraute ihm, mehr noch: Er war der erste Mensch, für den seine Herkunft bedeutungslos war, der ihm das Gefühl schenkte, zu einer wirklichen Sippe zu gehören. Es war ein Traum gewesen, nichts weiter. Hagen brauchte

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