Der Ruf Der Walkueren
gekostet haben, das Holz dafür herzubringen!
Alberich drehte sich herausfordernd um und deutete mit einer einladenden Geste auf das Floß. Widerwillig betrat Sigfrid die Planken. Es war ihm nicht geheuer, aber es blieb ihm keine Wahl. Wenn er je wieder heraus wollte, musste er sich dem Albenkönig anvertrauen.
Das Floß stieß vom Ufer ab und glitt über das Wasser, vorbei an seltsamen Bäumen aus Stein, die aus dem See wuchsen. Die Schwarzalben ruderten geschickt und schienen den Weg zu kennen, was Sigfrid etwas beruhigte. Dennoch ertappte er sich dabei, wie er immer wieder furchtsam ins Wasser starrte, als erwarte er jeden Augenblick, dass etwas Schreckliches aus der Tiefe auftauchte.
Früher als erwartet erreichten sie das jenseitige Ufer. Dankbar spürte der Sachse festen Boden unter seinen Füßen. Zwei Schwarzalben blieben auf der Fähre und ruderten zurück, um nach und nach den Rest ihrer Sippe zu holen. Beklommen sah Sigfrid dem sich entfernenden Floß nach und konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass ihm der Rückweg abgeschnitten und er für immer hier unten gefangen war. Insgesamt fünfmal ruderten die Schwarzalben hin und her, bis alle das diesseitige Ufer erreicht hatten. Alberich war so umsichtig zu warten, bis die Sippe vollzählig war, ehe er den Weg fortsetzte.
Die Höhle wurde schmaler, auch die Decke senkte sich allmählich. Zu Sigfrids Entsetzen endete der Gang in einer kniehohen Engstelle, durch die die ersten Alben bereits auf allen vieren hindurchkrochen.
Die Furcht im Gesicht des Jungen entschädigte Alberich für die im Kampf erlittene Schmach. »Es gibt nur den einen Weg«, sagte er spöttisch.
Sigfrid wusste, dass die Frage ein Zeichen von Schwäche war, aber er musste sie einfach stellen: »Wie weit …?«
»Wenn du den Hort sehen willst, musst du es herausfinden.«
Sigfrid ballte die Fäuste und ließ sich auf die Knie nieder. Schwarzalben konnten auf allen vieren hindurchkriechen, ihm dagegen blieb nichts anderes übrig, als sich auf dem Bauch vorwärtszuwinden. Er schluckte zweimal, atmete tief durch und kroch in den engen Spalt. Seine Arme lagen seitlich am Kopf und zogen seinen Körper, während die Füße sie dabei durch Schieben unterstützten. Schlammige Pfützen machten das Vorankommen noch unangenehmer, als es ohnehin schon war, zudem entfernte sich das Licht der Fackel vor ihm immer mehr.
Plötzlich blieb er stecken.
Er fiel in einen Abgrund von Panik und schlug um sich. Nur mit Mühe rang er den Schrei nieder, der seiner Kehle entsteigen wollte. Der Lichtpunkt der Fackel wurde kleiner und kleiner. »Warte!«, brüllte Sigfrid, doch der Schwarzalbe hatte ihn nicht gehört oder wollte ihn nicht hören. Dann war es stockfinster.
Der Junge versuchte, sich zurückzuschieben – vergeblich. Seine Hüfte war im Fels eingeklemmt und ließ sich in keiner Richtung bewegen. Er presste die Stirn gegen den Boden und schluchzte haltlos. Wie hatte er nur zustimmen können, hier hinabzusteigen! In der Dunkelheit flackerte der Ring plötzlich rötlich auf. Lebendig begraben! Die Gesteinsmassen werden dich erdrücken! In einer verzweifelten Anstrengung versuchte Sigfrid, sich zu befreien, doch alles, was er erreichte, war, dass er sich noch hoffnungsloser verkeilte.
Dann spürte er plötzlich eine Berührung an seinem stiefellosen Fuß, und der Schrei, den er ausstieß, brach alle Dämme der Selbstbeherrschung, er heulte und kreischte und trat wie wild um sich.
»Halt still, du Narr!«, hörte er Andvaris gedämpfte Stimme. Etwas drückte von unten gegen seine Füße und gab ihm den nötigen Halt. Schluchzend krallte sich der Junge in den Fels und zog, der Schwarzalbe schob, und gemeinsam gelang es ihnen, den Engpass zu überwinden.
Mit einem Mal war Sigfrid frei. Hastig arbeitete er sich voran und plumpste endlich aus dem Loch in eine größere Höhle.
Andvari folgte ihm auf dem Fuße und übersah taktvoll den verängstigten Zustand des Sachsen. »Wenn du deinen Gürtel abmachst, wird es auf dem Rückweg leichter gehen«, meinte er nur, und ehe Sigfrid noch Gelegenheit hatte, ein Wort des Dankes zu finden, war er bereits in der Dunkelheit verschwunden.
Der Junge brauchte eine Weile, um sein Zittern unter Kontrolle zu bekommen. Er saß einfach da, während ein Schwarzalbe nach dem anderen an ihm vorüberging, und es kostete ihn seine ganze Willenskraft, sich ihnen wieder anzuschließen.
Unvermittelt öffnete sich der Gang zu einer Höhle von den Ausmaßen einer
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