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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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wahr?«, fragte er Alberich, während ihm vor Anstrengung der Schweiß ins Gesicht lief. »Mime würde ein solches Schwert nicht ohne Namen fortgeben. Verrate ihn mir, es liegt großer Zauber in einem Schwertnamen.«
    »Es gehört dir nicht«, sagte der Albenkönig störrisch.
    Wortlos zwang Sigfrid die Spitze des Schwertes auf seinen Hals.
    Hastig berührte Alberich seine Nasenflügel zur Abwehr des Bösen. Seine Lippen zitterten, dann kapitulierte er. »Mimung.«
    »Mimung«, wiederholte Sigfrid. Das Summen in seiner Hand antwortete ihm und schwang in Harmonie mit seinem megin . Das Schwert hatte einen Waffenstillstand mit ihm geschlossen.
    Alberich wagte einen letzten Einwand. »Mime hat es uns unfertig übergeben. Wir hatten noch keine Gelegenheit, die Runen zu singen, um seinen Blutdurst zu beschwichtigen. Eure Seelen müssen übereinstimmen, wenn du nicht willst, dass es sich eines Tages gegen dich richtet. Du bist von sorglosem, hellem Gemüt, Mimungs Wesen dagegen ist dunkel und tückisch. Es wird dich nicht als Herrn anerkennen.«
    »Die Kraft meines Willens reicht aus, um es zu bezwingen.«
    »Narr!«, entfuhr es Andvari. »Was verstehst du von den Kräften der Erde und des Feuers, dass du dir einbildest, sie zu beherrschen?« Alberich versuchte, ihn zum Schweigen zu bringen, doch der Schwarzalbe beachtete ihn nicht.
    Wieder fiel Sigfrid das merkwürdige Verhältnis zwischen den beiden auf, und wieder entschlüpfte ihm der Gedanke, ehe er ihn festhalten konnte.
    »Es ist törichter Leichtsinn, ein Schwert in die Welt zu lassen, das kein Zauber in Zaum hält, der Leichtsinn eines unreifen Knaben!«
    »Dieser unreife Knabe hat euch alle trotz eurer Tarnkappen besiegt, und er hat keine Angst vor einem ungeschützten Schwert. Ich werde es zum Ruhm meiner Sippe führen, und nichts und niemand wird mich daran hindern.«
    »Dann tu, was du tun musst; die Nornen haben deinen Weg gewoben. Aber denk an meine Worte: Mime hat dieses Schwert mit seinem eigenen Blut zum Leben erweckt, seitdem dürstet es nach mehr. Ohne die Runen, die seinen Zorn in geordnete Bahnen lenken, ist es nicht in der Lage, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Es wird sich gegen jeden kehren, der sein Feuer entfacht, und ihn schließlich verschlingen. Es kennt keine Loyalität und keine Treue, keine Sippe und keine Ehre. Und ein Schwert ohne Ehre ist ein Neidingsschwert, das den Keim des Todes in sich trägt.«
2
    Die Helligkeit wich dem Dämmerlicht, das Dämmerlicht wich der Finsternis. Die Höhle war bis zum Rand mit Nacht angefüllt. Sigfrid setzte seine Schritte blind und war gezwungen, sich von Alberich führen zu lassen. Den Schwarzalben schien die Dunkelheit nichts auszumachen, ihre Augen waren an das Innere von Bergen gewöhnt. Es ging abwärts, soviel immerhin war klar. Das Stille Volk bewegte sich, seinem Namen Ehre machend, nahezu lautlos, während unter Sigfrids schweren Tritten Geröll losgerissen wurde. All seine Vorsicht nützte ihm nichts, mehr als einmal trat er mit seinem stiefellosen Fuß auf scharfkantiges Gestein. Die beklemmende Dunkelheit, verbunden mit unerklärlichen Geräuschen, entsetzte Sigfrid in einem Grade, der ihm bislang unbekannt gewesen war. Eine urzeitliche Angst vor der Finsternis hatte ihn befallen. Aber vielleicht war genau das die Absicht des Albenkönigs. Sigfrid biss sich auf die Lippen; er würde Alberich nicht den Gefallen tun und um Licht bitten.
    Als hätten sie seine Gedanken erraten, hielten die Schwarzalben an. Eine Flamme entstand in der Dunkelheit, eine zweite, Dutzende. Fackeln wurden entzündet und erhellten die Höhle. Augenlose Tiere huschten davon, milchfarbene Spinnen und Tausendfüßler verkrochen sich in den Schutz enger Spalten. Das Feuer beleuchtete archaische Bilder an den Wänden, Tiere in erdfarbenen und schwarzen Tönen, die aus ferner Vergangenheit zu ihm sprachen.
    »Wie du siehst, ist dieser Ort seit Urzeiten eine heilige Stätte«, sagte Alberich.
    Sigfrids Blick wanderte an die Decke, und ein Ausruf des Schreckens entfuhr ihm. Obwohl er dem dort dargestellten Tier nie begegnet war, erkannte er es auf den ersten Blick. »Ein Drache!«, keuchte er. Das Bild war wirklich zum Fürchten, denn der Maler hatte es verstanden, seinem Kunstwerk einen plastischen Ausdruck zu geben, indem er die natürlichen Unebenheiten und Vorsprünge der Felsdecke nutzte.
    Sigfrid riss sich von dem Anblick los, um den Anschluss nicht zu verpassen, denn die Alben waren nicht stehen geblieben. Er

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