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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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Schwarzalbe wird die Hand gegen ihn erheben, wie ich es versprach   –, gehört der Hort wieder uns, und wir sind frei.«
    Andvari mochte Alberichs Ränke nicht. Aber seine Ehre und die des Albenfürsten waren zwei verschiedene Dinge. Dem Wortlaut nach hielten sie sich getreu an den Schwur, den der König geleistet hatte, und das Wort war es, dem die Macht innewohnte.
    »Wir brauchen ein neues Schwert.« Dólgthrasirs pragmatische Bemerkung trennte die Gegner. »Mime ist tot. Er war ein unersetzbarer Schmied.«
    »Es gibt andere«, fiel ein uralter Schwarzalbe ein.
    Alberich schüttelte den Kopf. »Keinen wie Mime. Dólgthrasir wird versuchen, einen Ersatz zu bekommen, aber ich zweifle am Erfolg. Nein, uns bleibt nur die Hoffnung, Mimung zurückzubekommen.« Er wandte sich Andvari zu. »Da du so besorgt um Sigfrids Leben bist, habe ich eine Aufgabe für dich. Du wirst Sigfrids Schatten sein. Du wirst ihn begleiten, ohne dass er es merkt. Du wirst beobachten, was er tut, aber du wirst nicht eingreifen. Gerät er in Gefahr und stirbt, gut. Entkommt er nidhöggr , wirst du ihn und vor allem den Ring im Auge behalten. Sobald du eine Möglichkeit siehst, wie das Schicksal ihn uns vom Halse schaffen kann, wirst du mir davon berichten.«

Schwüre
1
    Frierend ritt Sigfrid den Trampelpfad zwischen den Bäumen entlang. Es war feuchtkalt, Folge eines Kälteeinbruchs. Während seiner Lehrzeit bei Mime war der Herbst unmerklich vorübergezogen. Sigfrid brauchte dringend warme Kleidung und vor allem einen zweiten Stiefel.
    Ein Regen aus leuchtend gelben Ahornblättern ging auf ihn nieder. Der Boden des Waldes war bedeckt mit einer farbenprächtigen Laubdecke, in deren Schutz Unmengen von Pilzen gediehen. Ihre obszönen Formen verhießen dem Land durch ihre phallische Kraft neue Fruchtbarkeit im nächsten Jahr.
    Doch Sigfrid hatte keinen Blick für die Schönheit des Waldes. Zwei Nächte hatten genügt, um sein Leben von Grund auf zu verändern. Noch vorgestern war er ein unerfahrener Knabe gewesen, ein Schmiedelehrling, ein Kind. Jetzt hatte er einen Mann getötet, den König der Schwarzalben besiegt und einen Hort von unermesslichem Wert gewonnen. Und das Wichtigste: Er besaß das Schwert der Schwerter. Niemand konnte ihn jetzt noch einen Knaben nennen! Er war ein Mann geworden, der seiner Sippe Ehre brachte.
    Je tiefer Sigfrid in den Svawenwald vordrang, desto eigenartiger wurde die Umgebung. Der Gesang der Vögel fehlte, kein Insekt ließ sich blicken. Überall lagen geborstene und entwurzelte Bäume, manche Stämme waren verbrannt. Sigfrid stieg von seinem Pferd und untersuchte die erkaltete Asche einiger Ahornbäume. Welche Katastrophe löste eine solche Verwüstung aus? Für Menschenwerk war die Zerstörung zu unplanmäßig.
    Der Hengst hob seinen Kopf, stieß ein Warnschnauben aus und spitzte die Ohren. Alarmiert zog Sigfrid Mimung aus der Scheide. Das Pferd hob seinen Schweif, riss dem Jungen überraschend die Zügel aus der Hand und ging durch. In wilder Panik raste es durch das aufwirbelnde Laub und stampfte alles nieder, was ihm im Weg stand. Weit kam es jedoch nicht, weil dichtes Buschwerk ihm den Durchgang versperrte. Panisch warf es sich herum und galoppierte zur anderen Seite.
    Der Boden erzitterte. Urplötzlich tauchte etwas Riesiges zwischen den Bäumen auf und brach krachend ins Freie. Dracō! Ein Drache! Der Anblick ließ Sigfrids Herz gefrieren. Allein die säulenartigen Beine des Lindwurms besaßen fünffache Mannesstärke. Die Haut war ledrig und geschuppt, der Rücken mit Knochenplatten von graugrüner Farbe besetzt, die in hornartigen Auswüchsen und aufrecht stehenden Dornen endeten. Sein gedrungener Schädel ging in einen Nackenschild über, der am oberen Rand mit Knochenhöckern besetzt war. Außerdem besaß er zwei fledermausartige Flügel und einen baumlangen Schwanz, mit dem er wuchtige Schläge austeilte. Von Zeit zu Zeit spie er Flammen aus seinem Maul. Rauch drang aus den Nüstern. Seine dreizehigen Klauen gruben sich bei jedem Schritt ins Erdreich und hinterließen knietiefe Abdrücke im Waldboden.
    Mit überraschender Geschwindigkeit stampfte das Untier auf das durchgehende Pferd zu und riss dabei Bäume um, als wären sie Strohhalme. Er erwischte die erwählte Beute in vollem Lauf, seine Krallen schlugen furchtbare Wunden. Der Hengst keilte aus und wieherte vor Schmerz, Blut rann ihm die Flanken hinunter. Aber noch war er auf den Beinen und suchte durch die Bäume zu entkommen. Blindlings

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