Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
ihm das ungestreckte Kokain anbot, das ihm kurz darauf zum Verhängnis wurde.
Im Grunde war die Sache sogar irgendwie faszinierend gewesen. Die ultimative Kündigung eines Angestellten.
Er lehnte sich zurück und studierte die Berichte von Litz und seinem Team von Meeresbiologen über das Ökosystem, die Pflanzen und Tiere, die sich im Wrack der Justine angesiedelt hatten. Schwämme, Goldkorallen, Würmer. Es gab nichts, wofür VanDyke sich nicht interessierte, solange es geerntet und genutzt werden konnte.
Mit demselben Respekt und Interesse studierte er die Berichte der Geologen, der Chemikerin und der Vertreter, die er geschickt hatte, um die Operation und ihre Ergebnisse zu überwachen.
Wie ein Kind, das sich auf eine Belohnung freut, hob er sich den Bericht der Archäologin für zuletzt auf. Er war übersichtlich aufgebaut, fundiert und anschaulich. Kein Detail, bis hin zur letzten Scherbe, war ausgespart worden. Jeder Gegenstand war beschrieben, datiert und fotografiert worden, katalogisiert nach Datum und Zeit des Fundes. Es gab Querverweise zum Bericht der Chemikerin bezüglich der Behandlung, Untersuchung und Reinigung des jeweiligen Objekts.
Stolz wie ein Vater las VanDyke die sauber ausgedruckten Seiten. Er war begeistert von Tate Beaumont und betrachtete sie als seinen Protegé.
Sie würde einen erstklassigen Ersatz für den unglücklichen Piper abgeben.
Vielleicht war es nur ein Impuls gewesen, der ihn dazu gebracht hatte, ihr Studium zu überwachen, aber dieser Impuls hatte sich mehr als bezahlt gemacht. Die Art, wie sie ihn an Bord der Triumphant wütend mit ihren intelligenten Augen angefunkelt hatte – oh, wie er sie bewunderte. Mut war eine wichtige Eigenschaft, besonders in Verbindung mit einem methodischen Verstand.
Tate Beaumont besaß beides.
Beruflich hatte sie seine Erwartungen weit übertroffen. Sie hatte ihr Examen als Drittbeste ihres Jahrgangs bestanden und ihre erste Veröffentlichung bereits im zweiten Studienjahr herausgebracht. Nach ihrem ersten Abschluss hatte sie brillante Arbeit geleistet, und sie würde sich ihren Doktortitel Jahre vor den meisten ihrer Studienkollegen verdienen.
Er war entzückt von ihr.
So entzückt, dass er ihr auf ihrem bisherigen Weg bereits mehrere Türen aufgestoßen hatte. Türen, die ansonsten selbst mit ihren Fähigkeiten und ihrer Zähigkeit schwer zu öffnen gewesen wären. Die Chance, in einem Unterseeboot in Tiefen von zweihundert Metern vor der türkischen Küste zu forschen, verdankte sie ihm. Obwohl er, wie ein gönnerhafter Onkel, den Verdienst dafür nicht in Anspruch genommen hatte. Noch nicht.
Ihr Privatleben hatte ihr ebenfalls seine Bewunderung eingebracht. Ursprünglich war er enttäuscht gewesen, dass sie sich nicht an Matthew Lassiter geklammert hatte. Eine dauerhafte Verbindung zwischen den beiden hätte es sehr viel einfacher gemacht, Matthew im Auge zu behalten. Dennoch war er froh, dass sie so viel Stil bewiesen hatte, sich von einem Mann zu trennen, der so offensichtlich unter ihrem Niveau war.
Sie hatte sich auf ihr Studium, ihre Ziele konzentriert, ganz wie er es von seiner eigenen Tochter erwartet hätte – wenn er eine gehabt hätte. Zweimal hatte sie sich auf Beziehungen eingelassen. Die erste war VanDykes Meinung nach nicht mehr als ein jugendliches Aufbegehren gewesen. Der junge Mann, den sie in der ersten Woche nach ihrer Rückkehr zum College kennen gelernt hatte, war wenig mehr als ein Experiment, da war er sich ganz sicher. Aber sie hatte sich schnell wieder von der muskelbepackten, hohlköpfigen Sportskanone befreit.
Eine Frau wie Tate brauchte Intellekt, Stil, Manieren.
Nach ihrem Abschluss war sie ein Verhältnis mit einem Kollegen eingegangen, der viele ihrer Interessen teilte. Diese Beziehung hatte zehn Monate gedauert und VanDyke beunruhigt. Aber die Sache ging schnell vorbei, nachdem er dafür gesorgt hatte, dass dem Mann eine Stelle bei einem ozeanographischen Institut in Grönland angeboten wurde.
Er war der Meinung, dass Tate sich nicht ablenken lassen durfte, wenn sie ihr Potential verwirklichen wollte, genau so, wie er es im Laufe der Jahre getan hatte. Ehe und Familie würden ihre Prioritäten nur durcheinander bringen.
Er war erfreut, dass sie jetzt für ihn arbeitete. Für die nächste Zeit gedachte er noch, sie an der Peripherie zu belassen. Wenn sie sich im Laufe der Zeit als würdig erwies, würde er sie ins Zentrum der Macht befördern.
Eine Frau von ihrer Intelligenz und ihrem
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