Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
unter der vorgetäuschten Schläfrigkeit. Sie saß in einer sorgsam arrangiert wirkenden, nachlässigen Haltung ihrer geschmeidigen Glieder da. Sie war in kostbare alte, goldfarbene Brüsseler Spitze gehüllt; ihre Brüste waren blass mit einem leichten Olivton, wie das eckige Dekolleté enthüllte. Es war so tief geschnitten, dass sich jeden Augenblick die Höfe um ihre Brustwarzen zeigen konnten. Die Augen der Comtesse waren nicht so dramatisch schwarz umrandet wie gestern Abend, aber die Augenlider waren gefärbt, und auch ihre Wimpern waren geschwärzt. Ihre Fingernägel waren länger, als es der Mode entsprach, und mit Gold lackiert. Sie gab das Bild einer exotischen Löwin ab, ganz und gar lohfarbene Kraft und Gerissenheit. Zum ersten Mal glaubte John, dass sie der führende Kopf der Agenten war.
»Es sei denn, Sie machen mir einen Vorschlag«, erwiderte er, während er sich auf einem eleganten Stuhl neben ihr niederließ. Unter dem Leibrock steckte eine kleine Pistole im Taillenbund seiner Hose. Sie hatte nur zwei Schuss, aber das würde reichen. Einen für die Comtesse und einen für den Sekretär. »Ich möchte mehr über Ihre Expeditionen erfahren. Rechnen Sie damit, Schätze zu heben?«
»Ich erwarte, Schätze zu heben, die alles Vorstellbare übertreffen werden«, sagte sie, während sie ihm und sich einen Brandy einschenkte. Sie trank wie ein Mann. »Eine Legende meines Volkes berichtet von einem Tempel mit einem Brunnen, der aus Juwelen gemacht ist. Und das ist nicht einmal der eigentliche Schatz, nur ein Vorbote der wahren Reichtümer, die sich darin verbergen.«
»Und Sie wissen, wo sich dieser Schatz befindet?« Er schlug einen skeptischen Ton an.
»Nein. Deshalb brauchen wir ja den Stein von Rosetta. Ich habe Wissenschaftler angeheuert, die die alten Texte übersetzen und den Ort des Tempels herausfinden werden.«
»Das kann Jahre dauern.«
»Aber während wir suchen, werden wir mehr als genug finden, um eines unserer Schiffe mit antiken Objekten zu füllen und sie für unverschämte Summen an die faule Oberschicht zu verkaufen.«
»Aha.« Er ließ einen Ausdruck von Gier über sein Gesicht huschen, dann runzelte er die Stirn. »Aber wir müssen Vorsichtsmaßnahmen treffen. Es grassiert eine Krankheit im Ausland, die offensichtlich einige Schiffsbesatzungen der britischen Marine befallen hat. Die Symptome sind sehr beunruhigend.« Er beugte sich vertraulich vor. »Ich möchte Ihr Zartgefühl nicht verletzen, aber Sie sollten wissen, auf was wir uns einlassen. Ausgeblutete Tote.«
Das Lachen der Comtesse wurde zu einem Kichern.
»Sie mögen lachen, Mylady, aber wir werden Probleme haben, eine Schiffsbesatzung zusammenzubekommen, wenn sich das herumspricht.« John brachte so etwas wie Empörung zustande.
»Ich denke, ich kann garantieren, dass kein Schiff, das wir heuern, davon betroffen sein wird.« Sie konnte noch immer nicht das Lächeln unterdrücken. »Ich selbst werde für die Schiffsbesatzung sorgen.«
Sie wusste also, was es war. »Aber der Verlust eines Schiffes … die Kosten … Ohne zu wissen, was dieses Phänomen verursacht – wie können wir da sicher sein …?«
Sie dachte nach. »In der Tat weiß ich, was das Ausbluten verursacht hat. Es ist keine Bedrohung für uns.«
Er bemühte sich, erneut skeptisch dreinzuschauen.
»Neugierig? Die Neugier ist der Katze Tod, das wissen Sie doch gewiss.«
Gefährliches Terrain. Sie traute ihm nicht. Aber was zählte das? Sie würde bald tot sein. Entweder sagte sie ihm, was es war, oder sie ließ es bleiben. Er drängte weiter, legte Hochmut an den Tag. »Ich bin Geschäftsmann, Comtesse, der sein Geld im Dienste Ihres Kaisers riskiert. Habe ich nicht das Recht auf ein gewisses Maß an Vertrauen verdient?«
Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Vampire.«
»Was?« Das Wort kam wie ein Keuchen über seine Lippen.
»Das Phänomen wurde von Vampiren verursacht, die auf die Mannschaft losgelassen wurden, um den Männern das Blut auszusaugen.«
Meinte sie das ernst? »Sie sprechen von der Südamerikanischen Fledermaus?«
»Ich spreche von Männern, die das Blut eines Vampirs getrunken haben und nun selbst Blut trinken müssen, um zu überleben. Sie haben auch noch andere ungewöhnliche Qualitäten. Sehr nützlich in unserem Fall.«
Sie tischte ihm ein Märchen auf, um ihn wütend zu machen. Er durfte sich seinen Zorn nicht anmerken lassen. Es war Zeit, der Sache ein Ende zu machen und seine Mission zu erfüllen. »Also gut.« Er
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