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Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Squires
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stand auf und ging zu ihr. Der Griff seiner Pistole drückte gegen seine Taille. Er sammelte sich. Es war so weit. Sie lehnte sich zurück und betrachtete ihn aus halb geschlossenen, spöttischen Augen.
    Mit einer raschen Bewegung zog er die Pistole hervor, zielte kurz und schoss auf die Comtesse. Er traf sie mitten durch ihre schöne linke Brust ins Herz. Der Widerhall im Boudoir war ohrenbetäubend. Ihre Augen wurden groß. Eine burgunderfarbene Blume erblühte auf dem Altgold ihres Kleides. Beißender Rauch hing in der Luft. Sie saß in ihrem Sessel und blinzelte. Die Tür wurde aufgestoßen, und der junge Mann stürzte ins Zimmer, schrie laut: »Mylady!« John richtete die Waffe auch gegen ihn. Der Mann zuckte zusammen. John wandte sich zur Comtesse oder Asharti – wer immer sie war. Er musste sie aufs Bett legen und sie (wie auch den Sekretär) so drapieren, dass es nach einem gestörten Schäferstündchen aussah. Und dann musste er fliehen, ehe die übrigen Bewohner des Hauses herbeigelaufen kamen.
    Sie war noch bei Bewusstsein, als er nach ihrem Arm griff, um ihn sich über die Schulter zu legen. John wagte nicht zu zögern, auch nicht um des Anstands willen. In dem Augenblick, in dem er sie hochzog, wusste er, dass etwas nicht so war, wie es sein sollte. Sie war ganz und gar nicht schlaff. Sie stand auf, stand auf den eigenen Füßen und riss unvermutet und mit unglaublicher, verblüffender Kraft an seinem Arm. Sie drehte ihn herum und umklammerte seine beiden Hände auf seinem Rücken mit einem Griff, der fester war als die Eisenfesseln auf dem Gefängnisschiff. John versuchte, sich loszureißen. Ein Brüllen der Wut füllte das Zimmer, und er fühlte einen Schlag gegen den Hinterkopf, der ihm die Sicht raubte. Er taumelte.
    »Quintoc!«, rief sie schneidend. »Reiß die Klingelschnur herunter!«
    Johns Blick wurde wieder klarer, und er sah den rosawangigen Sekretär sich aufrappeln, obwohl dessen olivfarbener Rock einen dunklen, größer werdenden Blutfleck zeigte. Was ging hier vor?
    »Mistress«, sagte Quintoc, neigte den Kopf und grinste auf eine Weise, die ganz und gar nicht aussah wie die eines Sekretärs. Mit einem festen Ruck riss er die Klingelschnur von der Wand. John wusste, was nun kam. Er kämpfte gegen die Umklammerung seiner Handgelenke an. Konnte er sich nicht einmal mehr aus dem Griff einer Frau befreien?
    Sie banden seine Handgelenke so fest, dass er binnen Kurzem das Gefühl in den Händen verlieren würde.
    »Ich habe Freunde, Madam«, keuchte er. Seine Sinne schwanden. »Sie können mich nicht festhalten.« Asharti stieß ihn auf die Knie. Ein Diener schaute ins Zimmer, sah sich um und zog sich dann zurück. Hatte der Mann John denn nicht gesehen, gefesselt und auf den Knien liegend? Hatte er das Blut nicht gesehen, das überall verspritzt war?
    »Geh dich umkleiden, Quintoc, und lass die Barouche vorfahren«, befahl sie. »Ich denke, wir werden den hier nach Chantilly bringen.« Der Sekretär verbeugte sich und verließ das Zimmer, als hätte John ihm nicht aus kürzester Entfernung ins Herz geschossen. Sie wandte sich wieder an John. »Tapfere Worte, aber zwecklos«, höhnte sie. »Ich bin sehr mächtig. Nein, mein hübscher Meuchelmörder, du wirst mir jetzt zu Willen sein.«
    John war verwirrt, nicht nur von dem Schlag gegen den Kopf, sondern auch von der Tatsache, dass er so leicht zu überwältigen gewesen war. Er weigerte sich, darüber nachzudenken, wie das geschehen konnte. Flucht. Er musste sich auf seine Flucht konzentrieren. Da seine Hände gefesselt waren, würde er sich darauf beschränken müssen, die Comtesse mit einem Kopfstoß oder einem Fußtritt auszuschalten. Die Tür war geschlossen, und mit den Händen konnte er sie nicht öffnen. Er musste auf seine Chance warten. Auf der Straße. Wenn sie ihn in die Kutsche verfrachteten, konnte er ihnen vielleicht entwischen.
    Er hob den Kopf. Sie stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, das Mieder ihres Goldkleides und die Brüsseler Spitzen blutgetränkt, und starrte ihn an. Dann wandelte sich ihr Gesicht zu einem grimmigen Lächeln. »Dachte ich’s mir doch, dass du etwas im Schilde führst. Wenn auch nicht einen tödlichen Anschlag.« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Und jetzt, da ich darüber nachdenke, glaube ich, dass du gar nicht Presset bist.« Sie klopfte mit einem Finger gegen ihre Lippen. »Genau genommen denke ich, dass du Langley bist.« Sie sah ihn von der Seite an und wechselte ins Englische. »Ich hatte

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