Der Ruf des Abendvogels Roman
wieder habt ihr alle mitgeholfen. Ihr hättet uns verlassen können«, sie blickte Nugget und die anderen Männer an, »aber ihr habt es nicht getan, genauso wenig wie Nerida und Sanja, die auch ohne Lohn geblieben sind. Lottie und die Mädchen haben sogar für uns gestreikt, was sicher in die Geschichtsbücher eingehen wird.«
»Werden wir dann ein Teil der Volkskunde?«, fragte Belle spöttisch.
Die Frauen lachten.
»Jedenfalls wollte ich euch allen sagen, dass eure Liebe für diese Farm und eure Loyalität gegenüber meiner Tante und jetzt auch mir und den Kindern mich einfach ... sprachlos macht.«
»Darauf wäre ich jetzt nicht gekommen«, bemerkte Victoria trocken, und alle lachten.
Tara lächelte. »Es scheint, als hätte ich jetzt lange genug geredet, aber ich möchte gern noch eines hinzufügen.« Wieder ließ sie ihren Blick um den Tisch wandern. Sie waren eine bunte Gesellschaft von sehr verschiedenen Menschen aus allen Schichten, und die Umstände, die sie alle zur selben Zeit hier zusammengeführt hatten, waren ebenso ungewöhnlich wie einzigartig. »Für mich werdet ihr immer genauso zur Familie gehören wie Jack und Hannah.«
Es blieb ein paar Augenblicke still, und Tara lächelte in die Runde der fast andächtig blickenden Freunde. »Aber das heißt natürlich nicht, dass ihr tun könnt, was ihr wollt! Lasst uns auf viele weitere Abende wie diesen anstoßen wie eine große, glückliche Familie!«
Wieder hoben alle ihre Gläser, und Victoria stand auf. »Ich werde keine Rede halten, aber ich möchte etwas sagen, bei dem ihr mir sicher alle zustimmt. Tara, ohne deinen Mut, Tadd entgegenzutreten, hätten wir Tambora wahrscheinlich verloren. Ich war von ihm abhängig geworden, und das ist nie gut. Meine Augen wurden schlechter, aber ich hatte auch sonst die Übersicht verloren. Ja, alle haben sich sehr eingesetzt, aber du hast den Ball ins Rollen gebracht. Ich habe es schon einmal gesagt und kann es nur wiederholen: Dass du hergekommen bist, war ein Segen für uns alle. Übrigens habe ich eben die Nachricht erhalten, dass unsere Wolle heute Port Adelaide in Richtung Indien verlassen hat.«
In der Runde brach ein Begeisterungssturm aus.
Als alle sich wieder beruhigt hatten, meinte Lottie: »Tara hat dein Durchhaltevermögen, Victoria, und den klugen Kopf ihrer Mutter.«
»Außerdem hat sie Victorias Eigensinn und ihre scharfe Zunge geerbt«, fügte Ethan hinzu. »Ihr kennt ja alle nur ihre nette Seite, aber glaubt mir ...«
»Das reicht, Ethan Hunter«, unterbrach ihn Tara lächeln.
Ein Känguru und sein Junges hüpften auf die Lichtung in der Nähe des Tisches, und zwei Emus folgten ihnen. Angezogen vom Funkeln der Bestecke im Lampenlicht kamen die Emus zum Tisch herüber, um zu sehen, was darauf war.
»So eine Party spricht sich eben sehr schnell herum«, meinte Victoria und verscheuchte die Emus.
»Tja, und die Vine-Schwestern dürfen dabei natürlich nicht fehlen«, sagte Lottie, und alle blickten auf die neugierigen Emus und lachten.Im Lauf des Abends hatte Maddy Tara und Ethan genau beobachtet und auch die Blicke registriert, die zwischen den beiden hin und her gingen. Sie hatte zwar einen Stuhl direkt neben Ethan ergattert, aber Tara saß ihm gegenüber. Am Anfang dieses Abends hatte Ethan sich erkundigt, wo Riordan war, und erfahren, dass der nach Irland zurückgefahren sei. Maddy war nicht entgangen, wie sehr ihn das gefreut hatte, ebenso wenig das warme Aufleuchten in seinen Augen, wann immer Taras und seine Blicke sich trafen.
Bitterkeit stieg in ihr auf, wenn sie an all die Jahre dachte, in denen sie sich gewünscht hatte, Ethan möge sie so ansehen. Tara schaute immer wieder in seine Richtung, und manchmal war es, als seien sie die einzigen Menschen am Tisch. Maddy fühlte nichts als brennende Eifersucht.
Nach dem Essen zogen sich Nugget und die Jungen ins Arbeiterhaus zurück. Sie standen immer schon in der Morgendämmerung auf und gingen deswegen früh schlafen. Die restlichen Gäste gingen hinüber ins Wohnzimmer, wo Victoria noch eine gute Flasche Tawny-Portwein aus dem Barossa-Tal öffnete.
Tara ging auf die Veranda hinaus, um einen Augenblick allein zu sein. Sie blickte zu den Sternen hinauf und dachte, dass es einer der schönsten Tage ihres Lebens gewesen war.
»Einen Penny für deine Gedanken«, sagte jemand hinter ihr. Tara wandte sich um und sah, dass es Maddy war.
»Ich habe gerade gedacht, dass es ein sehr schöner Tag war«, sagte sie.
»Ich weiß, was du
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