Der Ruf des Abendvogels Roman
nicht.«
»Ich muss Jack und Nugget und den Männern noch die gute Neuigkeit mitteilen«, erklärte Tara. »Jack wird so erleichtert sein!«
»Lottie, du bist ein großartiger Mensch«, sagte Victoria, nachdem Tara und Elsa den Raum verlassen hatten.
»Unsinn!« Lottie errötete vor Verlegenheit, was Victoria noch misstrauischer werden ließ. »Ich habe nichts Ungewöhnliches getan, Victoria, also lass uns nicht mehr darüber sprechen.« Sie wandte sich ab, um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen.
»Ich glaube aber, dass du etwas sehr Nobles getan hast, und ich kann dir nicht genug dafür danken.«
Trotz ihrer offensichtlichen Verlegenheit wurde Lotties Blick weicher, und die Falten in ihrem Gesicht glätteten sich, was sie um Jahre jünger erscheinen ließ. »Ich bin nur froh, Tara glücklich zu sehen. Sie hat es verdient, die Kinder zu bekommen – Jack und Hannah hätten bei dieser Frau ein schreckliches Leben gehabt.«
»Das ist wahr.« Victoria vermutete, dass Lottie Moyna Conway Geld gegeben hatte, damit sie ging – doch sie wusste, dass sie darum kein Aufhebens wünschte.
»Ich verstehe nur nicht, woher Moyna wusste, dass Tara und die Kinder hier sind, Victoria. Und wer ist dieser Reverend Jim Malally? Ich habe noch nie von ihm gehört.«
»Die Antwort auf beide Fragen lautet meiner Meinung nach Tadd Sweeney.«
Lottie stieß überrascht den Atem aus. »Dann war es also Moynas Telegramm, das ich ihn hinter dem Hotel habe lesen sehen?«
»Ich glaube schon. Er schuldet uns noch einige Antworten, und ich werde dafür sorgen, dass wir sie auch bekommen. Ich habe diesem Mann viel zu viel durchgehen lassen, aber dass er Moyna hergelockt hat, war reine Bosheit. Diese unschuldigen Kinder hätten einen schrecklichen Preis dafür bezahlt. Ich kann zwar nicht beweisen, dass er das Telegramm an Moyna geschickt hat – aber ich kann ihn dafür anzeigen, dass er meine Unterschrift auf Bankdokumenten gefälscht und Nerida vergewaltigt hat.«
Lottie war zutiefst schockiert. »Er hat wirklich ein paar schreckliche Dinge getan, Lottie, und ich schäme mich, dass das alles praktisch vor meinen Augen geschehen ist. Ich habe mich immer für einigermaßen ... scharfsinnig gehalten, aber irgendwann muss ich mein gesundes Urteilsvermögen verloren haben. Mich von Tadd abhängig machen zu lassen war das Dümmste, was ich tun konnte.« Zum ersten Mal seit Wochen sah Victoria wieder sehr zerbrechlich aus.
»Du hast ihm eben vertraut«, meinte Lottie und legte ihr den Arm um die Schulter. »Wir alle müssen im Leben irgendwann einmal unser Vertrauen in die Hände eines anderen legen – und manchmal wird dieses Vertrauen eben missbraucht ...«
Victoria war bewusst, dass Lottie aus Erfahrung sprach. »Das macht es nicht gerade leichter, nicht wahr?«
Lottie schüttete stumm den Kopf.
Dann hörten sie draußen freudige Ausrufe und wussten, dass Tara den Männern gerade die gute Neuigkeit mitgeteilt hatte.
Nach einem frühen Abendessen folgten alle Kinder Sorrel ins obere Stockwerk, wo sie ihnen ›Schauspielunterricht‹ geben wollte. Sanja hatte zu Ehren von Jack und Hannah einen besonderen Kuchen gebacken, um ihr neues Leben als Taras Kinder zu feiern. Tara war gerührt über diese Geste und beschloss, ihmpersönlich zu danken. Außerdem wollte sie noch etwas anderes mit ihm besprechen.
»Hallo, Sanja?«
Der Koch, der sie nicht hatte hereinkommen hören, wandte sich um, überrascht, sie in ›seiner‹ Küche zu sehen.
»Ich wollte Ihnen für den Kuchen danken«, sagte Tara. »Die Kinder haben ihn sehr gern gegessen, und es war sehr ... nett von Ihnen.«
Der Koch lächelte leicht. »Jack und Hannah sehr gute Kinder, Missy.«
»Ja, das sind sie. Ich habe viel Glück mit den beiden.«
Der Koch sah sie offen an. »Die Kinder auch viel Glück mit Missy.«
Tara lächelte, und in ihren Augen glänzten Tränen. »Danke, Sanja.«
»Das Gemüse wächst gut – bald kann ich Irish Stew machen.«
»Wirklich?« Jetzt erst fiel ihr auf, dass sie über der Arbeit mit den Männern den Garten vollkommen vergessen hatte. »Haben Sie sich um den Garten gekümmert, Sanja?«
Er nickte. »Viel Arbeit soll nicht umsonst sein.«
Tara lächelte dankbar. »Und es war sehr harte Arbeit, Sanja.«
Der Koch nickte und begann wieder Fleisch zu schneiden, als sei für ihn das Gespräch beendet.
»Sanja, ich würde Sie gern um einen Gefallen bitten.«
Der Koch drehte sich um, und Tara bemerkte, dass er müde wirkte. Beinahe hätte sie ihre
Weitere Kostenlose Bücher