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Der Ruf des Kolibris

Der Ruf des Kolibris

Titel: Der Ruf des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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können!«, widersprach ich aufgebracht. »Wir leben im 21. Jahrhundert. Und heute«, fiel mir ein, »ist Día de la Raza , Tag der Rassen.«
    »Ganz recht«, sagte er. »Heute gedenken wir Indígenas unserer Unterwerfung und Vernichtung durch die Spanier, die Kolumbus folgten.«
    »Aber wenn der Tag irgendeinen Sinn hat, Damián, dann doch den, dass wir die Brutalität überwinden müssen. Wir müssen lernen, einander zu achten und zu vertrauen. Wir beide, Damián! Wir können das. Wer, wenn nicht wir! Wir lieben uns. Dagegen kann keiner etwas machen. Wir müssen eine neue Legende schaffen!«
    Es kam mir vor wie ein letztes Aufbegehren vor dem Untergang.
    »Ich gehe mit dir, wohin du willst, Damián!«
    Er stieß sich vom Fenster ab und fiel mehr auf mein Bett, als dass er sich setzte. Er ergriff meine Hände. »Jasmin, es ehrt mich und es macht mich glücklich, dass du mir vertraust. Aber ich kann dich nicht mit mir nehmen. Schon deshalb nicht, weil du noch nicht volljährig bist. Dein Vater kann dir verbieten, mit mir zu gehen.«
    »Dann haue ich eben ab. Damián, ich ...«
    Er schüttelte den Kopf. »Es käme einer Entführung gleich, wenn ich dich mit mir nähme.«
    »Na und! Wer würde uns finden? Sie suchen seit drei Jahren nach der entführten Deutschen und haben sie nicht gefunden. Und in zwei Jahren bin ich achtzehn, dann darf ich selbst entscheiden, wo ich leben will.«
    »Du willst Medizin studieren, hast du mir erzählt.«
    »Ach, das ...«
    Er unterbrach mich. »Und dazu musst du einen Schulabschluss machen. Du kannst dich nicht zwei Jahre lang im Urwald verstecken.«
    »Und wenn ich gar nicht Medizin studieren will?«
    Er hob erstaunt die Brauen.
    Ich schämte mich sofort meines trotzigen Satzes. In Kolumbien wäre so mancher junge Mensch dankbar, wenn er sich seinen Traum erfüllen und Medizin oder etwas anderes studieren könnte, mit dem er gutes Geld verdient und das Land weiterbringt, und ich wollte das einfach so wegwerfen? Ich besann mich. »Und wenn ich in zwei Jahren wiederkomme?«
    Damiáns Augen blitzten kurz auf. Er konnte es nicht verbergen, jedenfalls nicht vor mir, wie viel Hoffnung in ihm aufflammte, wild und verzweifelt.
    Ich redete ebenso verzweifelt weiter: »In neun Monaten werde ich mit meinen Eltern zurück nach Deutschland gehen müssen, so wie die Dinge liegen. Aber ich komme wieder, Damián. Ich mache mein Abitur, und sobald ich volljährig bin und meine Eltern nicht mehr darüber bestimmen können, wo ich lebe, komme ich zu dir zurück. Dann studiere ich hier Medizin. Vielleicht sogar an der Universität, die du inzwischen gegründet hast.«
    »Das klingt schön«, sagte er leise. »Das wäre wunderschön. Aber es ...«
    Es klopfte an der Zimmertür.
    Damián zuckte zusammen und sprang auf.
    »Jasmin!«, rief Felicity Melroy und klopfte noch einmal. »Bist du wach?«
    Damián huschte leise zur Wand hinter der Tür. Aber Felicity kam nicht herein. Sie hatte mich offenbar nur wecken wollen. »In einer Viertelstunde gibt es Frühstück!«, rief sie von draußen.
    »Ja«, antwortete ich laut. »Ich bin schon am Aufstehen.« Ich schwang meine Beine aus dem Bett, das ordentlich knarrte.
    »Wir brechen gleich nach dem Frühstück auf«, fügte sie hinzu.
    »In Ordnung.«
    Wir hielten beide den Atem an, bis ihre Schritte im Gang verklungen waren. Dann löste sich Damián von der Wand, kam zu mir, schlang die Arme um mich und küsste mich leidenschaftlich. Ich zitterte vor Aufregung, Angst und Kälte und wahrscheinlich auch vor Müdigkeit.
    »Wir müssen uns noch mal sehen«, sagte ich. »Am besten heute Abend. Da gibt es Musik und Tanz hier im Hotel. Ich sage einfach, mir sei nicht gut, und gehe auf mein Zimmer.«
    Damián strich mir die Haare aus dem Gesicht. Seine Miene war zärtlich und ernst. Seine Finger berührten die Haut meiner Wangen zart wie Spinnweben. Sein Blick schmolz. Doch wieder rückte er von mir ab.
    »Jasmin! Du ... du weißt noch nicht alles!«
    Eigentlich wusste ich es längst. Insgeheim war es mir klar. Doch auch jetzt wagte ich nicht zu fragen, zu sehr fürchtete ich seine Antwort, die mir keine Wahl mehr lassen würde.
    »Du erinnerst dich an den Kellner, mit dem ich mich auf dem Diplomatenball gestritten habe?«, begann er stockend.
    Ich nickte.
    »Ich habe dir erzählt, dass ich ihn unter den Toten von Don Antonios Männern wiedererkannt habe. Ich bin schuld daran, dass er tot ist.«
    Ich konnte nichts sagen. Ich verspürte Erleichterung. Solange es nur um

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