Der Ruf des Kolibris
arabischer Tradition und ihrer Freiheit kämpft Finja mutig für eine Liebe, die eigentlich nicht sein darf.
Auszeichnungen:
»Buch des Monats Juli«
www.jugendbuch-couch.de
Stimmen zum Buch:
Das Cover des Buches ist sehr schön und schlicht gestaltet. Man kann sich gut in die Personen und die Geschichte hineinversetzen. Sehr gut beschrieben finde ich die orientalischen Landschaften, die bei Ausflügen in die Wüste zum Zuge kommen. Die Stimmung, die während des Lesens entsteht, ist toll, denn man fühlt sich wirklich wie in einem Märchen aus »Tausend und eine Nacht«.
Lizzy.net
de
Leseprobe: Christine Lehmann, Die Rose von Arabien
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Die Zeit besteht aus zwei Tagen, der eine
gewährt Sicherheit, der andere droht mit Gefahren;
das Leben besteht aus zwei Teilen, der eine ist klar, der
andere trübe; siehst du nicht, wenn Sturmwinde toben,
wie sie nur die Gipfel der Bäume erschüttern?
Tausendundeine Nacht (Gustav Weil, Erster Band)
de
1
E s nieselte. Eigentlich hatte ich gar keine Lust auf Weihnachtsmarkt. Ich war jetzt sechzehn. Da hatten Christbaumkugeln, gebrannte Mandeln und Pfannenreiniger ihren Reiz verloren.
Aber jedes Jahr Anfang Dezember traf sich mein Vater mit seinen Studenten zum Glühweintrinken. Er war Professor für Ingenieurwissenschaften und erforschte Solaranlagen. Und seit dem Tod meiner Mutter nahm er mich mit. An unserem Brauch änderte sich auch nichts, als mein Vater vor drei Jahren wieder mit einer Frau zusammenzog. Sie hieß Jutta und war Deutschlehrerin am Gymnasium. Am Weihnachtsmarktnachmittag musste sie stets turmhohe Stapel Deutschaufsätze korrigieren. Und mein Vater hing nun mal an unseren Vater-Tochter-Ritualen, an unseren Klettertouren im Sommer in den Alpen, an unseren Sonntagabendgesprächen, an Geburtstagsfeiern und dem jährlichen Gang auf den Friedhof zum Grab meiner Mutter.
Man verabredete sich stets um 16 Uhr vor Spielwaren-Kurz und ging nie weiter als bis zu der großen Bude an der Ecke, wo es die besten Bratwürste und den besten Glühwein gab, jedenfalls nach Überzeugung meines Vaters, denn ich war sicher, dass alle dieselbe Glühweinmischung vom Großhandel verwendeten. Ich hatte an diesem Tag noch Schule und kam später. Es dämmerte schon, als ich mich im Gedränge der Weihnachtsmarktbesucher – vor allem Schweizer – von der Haltestelle Schlossplatz über den Schillerplatz zum Marktplatz kämpfte. Der Regen verwandelte sich allmählich in nasse Schneeflocken, die auf dem Kopfsteinpflaster unter tausend Tritten sofort schmolzen.
An der Bude mit den Erzgebirgsengelchen und der großen Weihnachtspyramide fiel er mir zum ersten Mal auf. Er überragte die Gruppe alter Damen, die ihre Handtaschen vor dem Bauch trugen und den Nostalgischen bekamen angesichts der geschnitzten und bemalten singenden Heerscharen aus dem Erzgebirge. In seinem Haar glitzerten die Tropfen geschmolzener Schneeflocken. Es war schwarz wie eine mondlose Nacht voller Sterne. Er trug einen dunklen, schmal geschnittenen Mantel und einen anthrazitgrauen Schal mit schmalen roten Streifen, sicherlich Kaschmir, und hatte den Mantelkragen hochgeschlagen. Die Hände hatte er in den Taschen verborgen und stand ganz still im Geschiebe. Es war, als hielten die Damen, die ihn umdrängelten und sich schubsten, um die Engelchen besser sehen zu können, Abstand zu diesem Mann. Eine Aura umgab ihn. Als ob er von einem anderen Stern käme und noch nie diese kleinen bunten Holzengelchen gesehen hätte mit ihren Trompeten, Triangeln und singend aufgerissenen Mündern.
Nein, ich blieb nicht stehen, ich kämpfte mich weiter. Ich hatte schließlich eine Verabredung mit meinem Vater und seinen Studenten. Es waren angehende Ingenieure, die entweder über Druckverhältnisse und Effizienz von Energieanlagen redeten oder den Mädchen hinterherriefen. Unter ihnen war immer ein besonders Eifriger, der Krawatte trug und versuchte, sich bei meinem Vater einzuschmeicheln, und einer, der mit mir flirtete.
Aber das Bild von dem geheimnisvollen Mann, der bei den Erzgebirgsengeln gestanden hatte, ging mir nicht aus dem Kopf. Ich erreichte den Marktplatz, über dessen Buden sich der Turm des Stuttgarter Rathauses erhob, und bereute, nicht stehen geblieben zu sein, wenigstens so lange, bis ich sein Gesicht gesehen hatte. Vielleicht wäre es gewöhnlich oder unsympathisch gewesen, vielleicht hätte es mich enttäuscht und ich hätte ihn vergessen können. Doch nun hatte ich das
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