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Der Ruf des Kulanjango

Der Ruf des Kulanjango

Titel: Der Ruf des Kulanjango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Lewis
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schlug hilflos mit den Flügeln und schwang wie ein Pendel unter seinem Horst, vor und zurück, vor und zurück.
    Dann stieß er Angstschreie aus. »Kiii … kiii … kiii …«
    »Sie wird sterben«, sagte Iona. »So wird sie sterben.«
    Ich sah mir den Baum an. »Hochklettern schaffen wir nicht. Sie hängt viel zu hoch«, stellte ich fest. »Bestimmt über dreißig Meter hoch.«
    »Du musst ein paar Seile vom Hof holen«, sagte Iona.
    Ich sah sie an. Sie wirkte entschlossen.
    »Man braucht die richtige Kletterausrüstung für Bäume«, wand ich ein. »Gurte und Stricke zum Abseilen und solche Sachen.«
    Iona stemmte die Hände in die Hüften. »Wir können sie nicht einfach sterben lassen.«
    »Ich weiß«, sagte ich und blinzelte in die Sonne. Das Adlerweibchen war wieder still. »Wir müssen Hilfe holen.«
    »Und jemandem unser Geheimnis verraten?«, fauchte Iona. Sie war wütend. »Niemals.«
    »Wir haben keine Wahl«, sagte ich.
    »Du hast es versprochen, Callum«, gab sie zurück. »Wenn du nicht hochkletterst, tu ich es.«
    Ich kickte mit der Schuhspitze in den Boden. »Und was ist, wenn wir sie tatsächlich herunterholen? Sie ist bestimmtverletzt. Was dann? Weißt du auch, was dann zu tun ist?«
    Iona presste ihre Hände auf die Augen. »Wir können sie nicht sterben lassen«, schluchzte sie.
    »Komm schon«, sagte ich, nahm Robs Fahrrad und machte mich auf den Weg hinunter ins Tal. »Wir können das nicht allein schaffen.«

Kapitel 11
    Dad legte den Telefonhörer auf. »Das war Hamish vom Naturreservat«, sagte er. »Er kommt und hilft uns.«
    »Er darf niemandem was von den Fischadlern erzählen«, rief Iona.
    »Du musst dir keine Sorgen machen«, beruhigte Dad sie. »Er ist im Reservat für die Fischadler verantwortlich. Er wird nichts weitererzählen.«
    »Das will ich ihm auch geraten haben«, brummele Iona, während sie auf und ab tigerte.
    Dad lächelte und pfiff leise vor sich hin. »Na, wer hätte das gedacht? Wir haben Fischadler auf unserem Land.«
    Eine Stunde später saßen wir auf der Rückbank des Landrovers und holperten über die Hochebene.
    »Haltet euch fest dahinten!«, brüllte Dad, als das Fahrzeug über die bucklige Wiese rumpelte.
    Hamish sah nicht viel älter aus als einige meiner Cousins. Wahrscheinlich war er dreiundzwanzig oder vierundzwanzig. Er grinste breit, als er kam, und er hatte eine ganze MengeZeugs dabei: Gurte und Kletterseile, eine Waage, um den Fischadler zu wiegen, und eine Ausrüstung, um seinen Fuß zu beringen. Hamish breitete alles um uns herum aus, saß selbst auf einem Sack voller Seile und hielt vorsichtig einen kleinen schwarzen Koffer auf dem Schoß.
    Ich mochte ihn auf Anhieb und ich glaube, dass auch wir ihm sympathisch waren. Als der Landrover über das Gelände holperte, erzählte Iona ihm vom Baummarderversteck, das sie in einem hohlen Baum gefunden hatte, von den Goldregenpfeifern, die im Heidemoor nisteten, und von der Herde Rotwild, die oberhalb unseres Hofes graste. Und Hamish hörte zu, ich meine, er hörte wirklich zu.
    »Du machst mich ja arbeitslos«, lachte er.
    Der Landrover schlingerte und schlitterte auf dem morastigen Weg flussaufwärts und Hamish umklammerte den schwarzen Koffer noch fester.
    »Was ist da drin?«, wollte Iona wissen.
    »Da drin?«, sagte Hamish. Er klopfte an die Seite des Behälters. »Abwarten. Ich hoffe nur, dass wir eine Chance kriegen, ihn zu benutzen.«
    Am Ende des Sees, wo unser kleines Ruderboot am Kieselstrand lag, hielt Dad an.
    »Wo ist das Adlerweibchen?«, fragte Hamish.
    »Dort«, sagte ich. Ich deutete über den See hinweg auf die Insel. Wie ein Leichnam hing der Vogel unter dem Adlerhorst und drehte sich im Kreis, immer und immer wieder rundherum.
    Iona verbarg ihr Gesicht in den Händen. »Sie ist tot, stimmt’s?«
    Hamish nahm das Adlerweibchen ins Visier seines Fernglases. »Ich kann es nicht sagen«, murmelte er. »Aber sie hat Gesellschaft bekommen.«
    Ein paar Krähen stürzten vom Himmel herab und griffen sie von der Seite an. Plötzlich schnellte das Weibchen nach oben, schlug mit den Flügeln und stieß mit dem Schnabel in Richtung der Angreifer, aber man konnte deutlich sehen, dass sie schon sehr viel schwächer geworden war.
    »Na los«, drängte Iona, »uns bleibt nicht viel Zeit.«
    Dad und Hamish ruderten. Ich saß vorne im Boot, Iona nahm hinten Platz und hielt Hamishs kleinen schwarzen Koffer fest. Es dauerte ewig, bis wir die Insel erreichten. Die ganze Zeit über attackierten die Krähen

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