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Der Ruf des Kulanjango

Der Ruf des Kulanjango

Titel: Der Ruf des Kulanjango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Lewis
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Radcomputer. Meine Tante hat ihn beigesteuert. Er zeigt die Geschwindigkeit an, die Höhenmeter, die gefahrenen Kilometer … eben alles.«
    Ich stieg auf mein Rad, rief: »Wetten, dass dich das nicht schneller macht!«, und düste davon.
    Ich brauste durch die Landschaft. Wie liebte ich Morgen wie diesen, wenn das Sonnenlicht in den Schlaglochpfützen aufblitzte. Auf ebener Strecke lagen wir ziemlich gleichauf,aber auf dem Shepherd’s Lane, rauf zu den holprigen Pisten, zog Rob an mir vorüber. Auf dem lockeren Gestein griffen meine Reifen nicht, ich musste absteigen und mein Fahrrad den Rest des Weges schieben.
    Als ich den Fahrradschuppen erreichte, wischte Rob gerade den Dreck von seinen Alufelgen und unterhielt sich mit Euan. Iona lungerte in der Nähe herum, aber ich tat so, als hätte ich sie nicht gesehen.
    »Kommt ihr heute Abend vorbei?«, fragte uns Rob. »Mum macht Pizza.«
    »Ich hab eine coole neue DVD. Die bring ich mit«, sagte Euan.
    Rob rollte mit den Augen. »Lass mich raten. ›Hundert Plätze zum Fliegenfischen bevor du stirbst‹?«
    »Eigentlich heißt sie ›Extremfischen‹«, sagte Euan. »Es geht um Haie und Barrakudas.«
    »Heb sie bitte für später auf«, sagte Rob. »So viel Aufregung vertrag ich nicht.«
    Ich schulterte meine Tasche und ging mit Rob und Euan über den nassen Schulhof zur entfernt gelegenen Mauer. Rob zog seine Hausaufgaben hervor und kritzelte ein paar von Euans Antworten auf seine Arbeitsblätter. Nicht weit von uns lehnte Iona an der Mauer und beobachtete mich. Die Schulglocke läutete und alle machten sich auf den Weg in ihre Klassenzimmer.
    »Komm schon«, sagte Euan, »wir haben Unterricht.«
    Rob stopfte seine Hausaufgaben in die Tasche und wirhasteten die Rampe hoch ins Klassenzimmer. Ich war gerade an der Tür, als Iona mich von hinten rief.
    »Was will sie?« Rob runzelte die Stirn.
    »Keine Ahnung, ich komm gleich nach.« Ich wandte mich Iona zu.
    »Kommst du nach der Schule mit zum See?«, fragte sie.
    »Kann nicht«, erwidere ich. »Rob hat Geburtstag.«
    »Macht nichts.« Sie lächelte und gab mir einen großen Briefumschlag. »Das hab ich letzte Nacht für dich gemacht.«
    Im Augenwinkel konnte ich sehen, wie Rob uns vom Fenster aus beobachtete.
    »Danke, Iona«, murmelte ich. Ich stopfte das Kuvert in die Tasche.
    »Willst du nicht nachschauen, was drin ist?«, fragte sie.
    »Nachher«, sagte ich. »Mach schon, wir kommen zu spät.«
    Ich ging nach hinten zu meinem Platz und schleuderte meine Tasche neben Rob und Euan auf den Tisch. Der Lehrer war noch nicht in der Klasse, also nahm ich meine Hausaufgaben aus der Tasche, lief im Gang zwischen den Tischreihen nach vorne und legte die Arbeitsblätter aufs Lehrerpult.
    Als ich auf meinen Platz zurückkehrte, hatten sich Euan und Rob schon über meine Schultasche hergemacht, das Kuvert herausgezogen und geöffnet. Sie betrachteten ein Blatt Papier mit einem Bild.
    »Sehr romantisch.« Euan feixte.
    Ich sah mir das Blatt an. Iona hatte zwei Fischadler gemalt. Einer saß im Horst und der andere segelte mit ausgebreitetenFlügeln darüber und brachte einen Fisch. Das Bild war signiert: »Für Callum. Alles Liebe, von Iona.«
    »Sie beobachtet dich die ganze Zeit«, sagte Rob. »Ich glaube, sie steht auf dich!«
    »Tut sie nicht«, brummelte ich.
    »Schau mal, ›alles Liebe‹«, spöttelte Rob.
    Ich wünschte, er hätte einfach den Mund gehalten. Jetzt sah Iona zu uns herüber.
    »Letzte Woche ist ihr Großvater im Nachthemd in den Laden gekommen«, erzählte Euan. »Im Nachthemd und mit Pantoffeln, sonst hatte er nichts an.«
    Rob schaute über meine Schulter hinweg zu Ionas Platz.
    »Echt ein verrücktes Paar, die beiden«, sagte er. »Die gehören ins Irrenhaus.« Er hielt das Bild für jeden sichtbar in die Höhe. Jetzt wurde auch der Rest der Klasse auf uns aufmerksam. Einige der Mädchen lachten. Robs Stimme war laut und deutlich und messerscharf.
    »Echte Verrückte. Oder was glaubst du, Callum?«
    Ich sah, wie Iona mich unter dem Saum ihrer roten Haare beobachtete. Und ich fühlte, wie sich ihre Blicke in mir einbrannten.
    Die ganze Klasse sah zu.
    Ich schaute auf meine Schuhe hinunter, an denen sich der Schlamm zu einer dicken braunen Kruste verhärtet hatte. »Ja, ein echt verrücktes Paar«, murmelte ich.

Kapitel 9
    Ich riss das Vorderrad meines Bikes bis zum Anschlag herum. Unter dem Reifen zerbröselte die Erde. Kleine Steine kollerten in die Tiefe. Im Winter schoss hier ein reißender Wildbach

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