Der Ruf des Satyrs
wieder zurück zu Eva sah. Tränen quollen aus ihren Augen. »Wie konntet ihr nur?«, fragte sie kläglich.
»Alexa, ich …« Eva trat zögernd einen Schritt auf sie zu, doch welche Entschuldigung konnte es dafür schon geben?
»Komm, meine Liebe!«, sagte Serafina, nahm die Umhänge und zupfte ihre Tochter am Arm. Und dann war Evas liebste, einzige, wunderbare Freundin verschwunden.
Gaetano warf Eva einen wütenden Blick zu. Dane trat näher und legte seinen Arm um ihre Taille. Eva sah zu ihm auf und erkannte die offene Herausforderung in dem harten Blick, mit dem er Gaetano anstarrte und förmlich darum bettelte, dass dieser Streit mit ihm anfing. Sie trat zwischen die beiden Männer und legte jedem eine Hand auf die Brust um ihre Feindseligkeit zu entschärfen.
»Es tut mir leid«, erklärte sie an Gaetano gewandt, doch er grinste nur höhnisch, stieß ihre Hand beiseite und schloss sich den anderen Gästen an, die bereits ihre Mäntel geholt hatten und nun die Veranstaltung verließen.
»Geh Alexa nach!«, drängt Eva Dane. »Du musst den Schaden zwischen euch wiedergutmachen. Es ist das Richtige für alle.« Das konnte sie jetzt sehen. Doch warum konnte ihr Herz das nicht auch begreifen?
Langsam schüttelte er den Kopf.
»Deine Familie ist in Gefahr, entdeckt zu werden, wenn du es nicht tust!«, beharrte sie.
Doch Dane blieb stur. »Ich werde sie aufsuchen, doch nur, um das Verlöbnis zu lösen.«
»Dann tu, was du tun musst, aber suche mich nicht wieder auf!«, erklärte sie und wandte sich zum Gehen. »Ich – ich brauche Zeit, um nachzudenken.«
Er ergriff ihr Handgelenk, und seine Miene wirkte streng, ja beinahe animalisch in einer Weise, wie Eva sie noch nie gesehen hatte. »Und du wirst nicht einfach nach Paris oder durch das Portal in die Anderwelt verschwinden?«
Sie drückte die Hand auf ihre Lippen und schüttelte nur den Kopf. Wenn sie jetzt etwas sagte, würde sie in Tränen ausbrechen.
»Versprich es mir!«
Sie nickte und machte sich los, um zu ihrer Kutsche zu flüchten, und sie fragte sich, wie das alles in so kurzer Zeit nur so schiefgegangen sein konnte.
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16
I ch muss dir etwas sagen«, begann Eva, als Odette ihr am nächsten Morgen beim Ankleiden half. »Letzte Nacht hat Gaetano Patrizzi mich gebeten, ihn zu heiraten, aber …«
Odettes Augen leuchteten vor Entzücken auf. »Herrlich! Unsere Träume werden wahr,
bebe!
« Sie wollte Eva umarmen, doch die hielt sie zurück.
»Warte! Lass mich zu Ende erzählen. Ich werde ihn nicht heiraten.«
»Was? Du hast ’n abblitzen lassen?«
»Nein, hör mir zu, ja? Ich hatte gar keine Chance, auf seinen Antrag zu antworten, bevor ich bei einem Fehltritt mit einem anderen Herrn ertappt wurde.«
Odettes Gesicht überzog sich mit Zornesröte. »Mit Satyr?
Der
war’s, he? Der Kerl, der hergekommen is’ wegen ’ner Frau und dafür dich gefunden hat.« Sie deutete in Richtung von Evas Arbeitszimmer, wo Dane sie zum ersten Mal genommen hatte.
Errötend nickte Eva. »Signor Patrizzi hat uns letzte Nacht zusammen gesehen – seine Mutter und seine Schwester ebenfalls. Und noch andere. Also müssen wir unsere Pläne ändern. Gaetano wird mich nicht länger wollen, und ich kann mich jetzt nicht einfach in der gehobenen Gesellschaft hier umsehen, um einen anderen zu finden, den ich heiraten könnte.«
»Lass mich drüber nachdenken. Wir finden schon ’nen Weg.« Odette stand auf einem Stuhl und zog Eva gerade einen Rock mit Nadelstreifenmuster über den Kopf.
Eva schüttelte den Kopf, als sie aus dem Rock wieder zum Vorschein kam. »Da ist noch etwas, das du wissen musst. Ein noch größeres Problem.« Sie deutete auf den Mörser, in dem Odette ihren Morgentrunk bereitet hatte. »Diese Pulver, die ich immer nehme. Sie scheinen nicht mehr so zu wirken wie früher, zumindest nicht zu Vollmond.«
Panik stand in Odettes Miene. »Was?!«
»Als ich vor vier Jahren anfing, sie zu nehmen, hat mich der Mond nur langsam bei den monatlichen Ritualen beeinflusst«, erklärte Eva. »Seine Auswirkungen machten sich nur nach und nach bemerkbar, erreichten ihren Höhepunkt erst dann, wenn der Mond am höchsten stand, und verschwanden wieder weit vor der Morgendämmerung. Mein Verlangen war weit weniger überwältigend als jetzt. Als der Vollmond vor ein paar Nächten kam, fühlte ich es noch in derselben Stunde. Und es war schwer, die Nacht allein zu verbringen.« Sie hob die Hand, bevor Odette etwas sagen konnte. »Nebelnymphen sind nicht
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