Der Ruf des Satyrs
und sie sah durch halbgeschlossene Lider zu ihm auf und wünschte, sie wäre überall, nur nicht hier. Sein Blick glühte brennend, und er drückte sie mit einem Arm fest an sich. Sie fühlte sich erstickt. Fühlte ihre Hoffnung schwinden. Sein Mund näherte sich. Gleich würde er sie küssen. Uärgs. Sie schloss die Augen.
Plötzlich wurde ihr klar: Wenn sie diesen Mann heiratete, würde sie sich oft in Gesellschaft seiner Schwester und ihres neuen Ehemannes befinden. O nein, das wäre zu furchtbar! Sie musste einen anderen Verehrer finden. Sie öffnete den Mund, um ihn abzuweisen, gerade als er Anstalten machte, sie zu küssen.
»Patrizzi!«, grollte eine Stimme, so unheilverkündend wie eine Gewitterwolke. Dane.
Sie fuhren auseinander und sahen ihn nur wenige Meter entfernt stehen, neben ihm Alexa, die sich bei ihm eingehängt hatte. Evas Blick richtete sich auf diese verschränkten Arme, und sie fühlte, wie ihr das Herz unerträglich schwer wurde. Das konnte sie nicht aushalten. Sie musste hier weg, bevor sie noch vor aller Augen zusammenbrach. Doch ehe sie sich entschuldigen und verschwinden konnte, schlang Gaetano einen Arm um ihre Taille, als wollte er damit Anspruch auf sie erheben.
Danes düsterer Blick verdammte sie beide, und Eva fühlte sich ein wenig schuldig, als hätte er sie dabei erwischt, dass sie ihn betrog. So ein Unsinn! Sie tat nichts dergleichen. Er war derjenige, der sich verlobt hatte!
Alexa klatschte voller Freude in die Hände. »Du hast sie gefragt, nicht wahr, Tano? Oh, Eva, wir werden Schwestern sein! Ich wusste, dass er dir einen Antrag machen würde, aber ich konnte doch nichts vorher verraten!« Sie streckte die Arme aus, um Eva zu umarmen.
Als Alexa auf sie zukam, tat Dane es ihr gleich, und sein Ärmel streifte ihren unbedeckten Arm. Eine unschuldige Berührung nur, doch sie jagte Eva einen feurigen Schauer durch den Leib. Ungeweinte Tränen brannten in ihren Augen.
»Oh, ich weiß, wie du dich fühlst! Als ich hörte, dass ich Herrn Satyr heiraten solle, ging es mir genauso«, fuhr Alexa fort, als sie sich wieder aus der Umarmung löste. Sie hatte den Grund für Evas Aufgelöstheit vollkommen missverstanden. »Aber hör auf damit, sonst muss ich auch weinen, und dann ist unser Aussehen ruiniert!«
»Du hast uns unterbrochen, liebste Schwester«, schalt Gaetano. »Ich hatte sie eben erst gefragt.«
Alle Blicke richteten sich auf Eva. »Und ich habe Ihnen vorerst meine Antwort gegeben«, erklärte sie sanft. Sie würde ihn abweisen, aber nicht hier vor allen Leuten.
Eine halbe Stunde später schaffte Eva es schließlich, sich von Gaetano zu befreien. Sie entfloh den Festlichkeiten und verließ die Ruinen, ohne sich zu verabschieden. Die Tränen, die ihr in den Augen brannten, seit sie Alexas Neuigkeiten gehört hatte, liefen ihr nun die Wangen hinab. Oh, Götter – Dane würde heiraten! Sie hob ihre Röcke und hastete davon, während sie den Kopf gesenkt hielt, damit niemand sehen konnte, dass sie weinte. Sie musste Pinot finden. Die Kutsche erreichen. Nach Hause kommen, um die Nacht über zu weinen.
Am Rande des
Circo
griff plötzlich eine Hand um ihre Taille, und eine andere legte sich auf ihren Mund. Sie fühlte den starken Körper eines Mannes an ihrem Rücken und versuchte, sich loszureißen. »Ich bin es«, sagte Dane. Sie wurde zaghaft still und ließ zu, dass er sie mit sich zog, weg von dem Tumult und den Lichtern. Sekunden später standen sie sich in einem abgelegenen Gehölz unter schattenspendenden Schirmen am Rande des
Circo
gegenüber. Die Luft des nahenden Herbstes war kühl und schwer vom Duft der Zypressen und ihrem gegenseitigen unerträglichen Verlangen nach einander.
Eva sog seinen Anblick in sich auf. Er sah so unglaublich gut aus, wie er da stand, groß und stark, in seinem dunklen Abendanzug und dem weißen Hemd, das im Dämmerlicht schimmerte. Ihr Herz zog sich zusammen in dem Wissen, dass er nicht mehr ihr gehören konnte.
»Du wirst ihn nicht heiraten!«, verkündete Dane und brach damit das Schweigen.
Sie funkelte ihn zornig an. »Doch du heiratest Alexa?«
Er schnitt mit seiner Hand durch die Luft, als wollte er damit diesen Teil seines Lebens von dem Leben trennen, das er mit Eva führen wollte. »Sie ändert nichts zwischen dir und mir.«
»Eure Auren passen nicht zueinander. Du hättest mich konsultieren sollen, bevor du sie gefragt hast. Liebst du sie?«, wollte sie wissen und wagte kaum, zu atmen, als sie seine Antwort
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