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Der Ruf des Satyrs

Der Ruf des Satyrs

Titel: Der Ruf des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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und dem Tiber, der ausschließlich aus Scherben antiker Tongefäße errichtet war. In alten Zeiten hatte sich dort das Vinarium befunden – ein Markt, der dem Weinhandel gewidmet war. Die Händler hatten ihre Weine in Amphoren von weit entfernten Weinbergen hierher transportiert. Sobald diese Tongefäße dann leer waren, hatte man sie in den Tiber geworfen. Mit der Zeit war der Scherbenhaufen so hoch geworden, dass er drohte den Fluss zu blockieren. Daraufhin hatte man die Scherben herausgefischt und hier ans Ufer geworfen. So wie nun dieses Mädchen.
    »Es sieht so aus, als sei sie hier angeschwemmt worden. Wahrscheinlich wurde sie weiter flussaufwärts hineingeworfen.« Dane kniete nieder und schob ihr feuchtes Unterhemd beiseite, um sie stoisch zu untersuchen. In den letzten zwölf Jahren bei der Spezialeinheit hatte er mit mehr als einem aufgedunsenen leblosen Körper zu tun gehabt.
    »Sie hat Einstichstellen am Arm«, bemerkte er. »Und um jede ihrer Brüste verläuft eine kreisrunde Einblutung.«
    »Woher?«, fragte Bastian.
    »Keine Ah…« Als Dane sich vorbeugte, um sie näher zu untersuchen, schlug ihm ein beißender Geruch ins Gesicht. Zwiebeln. Der Geruch drehte ihm den Magen um, und er würgte. Taumelnd wandte er sich ab und sank am Ufer in die Knie, während er gegen den Brechreiz ankämpfte.
    »Was ist? Was ist los?«, wollte Bastian hinter ihm wissen.
    »Zwiebeln. Verdammt, ich kann ihren Geruch nicht ertragen!«
    »Ich rieche sie nicht«, stellte Sevin verdutzt fest.
    »Ich auch nicht«, meinte Bastian. »Aber vergiss nicht – in der Anderwelt hat Dane eine Ausbildung genossen, die ihn befähigt, auch die geringsten Spuren eines Duftes wahrzunehmen.«
    »Glaubst du, es ist eine Art Hinweis?«, mutmaßte Sevin. »Könnte sie in einem Zwiebelfeld ermordet worden sein?«
    Ihre Stimmen klangen wie aus weiter Ferne, während Dane gegen das Aufsteigen schrecklicher Erinnerungen kämpfte, die an ihm nagten wie die scharfen Zähne eines Haifisches. Und die Schuld. Immer diese schrecklichen, sengenden Schuldgefühle angesichts der Tatsache, dass er lebend zurückgekommen war, während ihr vierter und jüngster Bruder, Lucien, verschwunden geblieben war. Noch immer konnte er Lucs vertrauensvolles, entsetztes Gesicht vor all diesen Jahren sehen. So, als wäre es nun direkt vor seinen Augen.
    Es war Vollmond gewesen, in der Nacht, in der das Schreckliche geschehen war. Ihre Eltern waren in den Hain hinausgegangen – in genau den, der nun Dane gehörte – und hatten ihre vier Söhne in der Obhut der Bediensteten zurückgelassen. Erst kurz zuvor war in Dane die Neugier erwacht, etwas über diese mysteriösen Rituale zu erfahren, die die Satyrn unter dem Vollmond begingen. Und er hatte sich hinausgeschlichen, in der Hoffnung, etwas zu entdecken. Ohne dass er es wusste, war Luc ihm gefolgt.
    Sie waren noch Knaben gewesen, keine Männer. Luc war erst fünf, Dane zwölf Jahre alt. Beide waren noch Jahre davon entfernt gewesen, völlig zu begreifen, was es bedeutete, ein Satyr zu sein, denn erst mit achtzehn Jahren, wenn ihre Körper sich zum ersten Mal mit dem Aufgehen des Vollmondes verwandelten, würden sie körperlich bereit sein, an den sinnlichen Ritualen teilzunehmen.
    Eigentlich hätte ihnen in jener Nacht nichts zustoßen dürfen. Ihre Eltern und der Rest des Klans der Satyrn – damals gab es noch viel mehr von ihnen in Rom – hatten sich im Hain zu den Ritualen versammelt und seinen Umkreis mit Zaubern belegt. Kein Mensch hätte in der Lage sein sollen, den Schleier aus Magie, der das ganze Gebiet umgab, zu durchdringen, und alle Völker der Anderwelt hätten damit beschäftigt sein sollen, ihre Bräuche zu Vollmond zu begehen.
    Doch irgendwie waren da schon andere Spione gewesen, die dort im Hain auf der Lauer gelegen hatten. Und als Dane und Luc zufällig auf sie stießen, hatten sie die beiden Brüder gefangen genommen und verschleppt. Das Letzte, was er von Luc in Erinnerung hatte, war dessen Blick, bevor man ihnen die Augen verbunden hatte, seine stumme Bitte, dass Dane ihn retten sollte.
    Doch er hatte ihn nicht gerettet, und das konnte er sich selbst nicht verzeihen. Stattdessen waren beide Knaben verschwunden, und nur Dane war ein Jahr später wieder aufgetaucht. Allein und ohne jede Erinnerung daran, wer sie beide entführt hatte oder was in all der Zeit seit ihrem Verschwinden geschehen war. Ohne Erinnerung daran, was mit Luc geschehen war.
    Falls er jetzt, zwölf Jahre später, noch am

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