Der Ruf des Satyrs
kümmerlicher Schwanz nur noch armseliger und schlaffer aus. Sein Gesicht verzog sich in ohnmächtiger Wut.
In jener Nacht am Kartentisch hatte es ihn so sehr gedrängt, diesem Bastard Dane Satyr das alles zu erzählen und ihn mit der Enthüllung des Geheimnisses zu verletzen.
Ich weiß, wo dein kostbarer Bruder ist,
hatte er sagen wollen. Doch natürlich hatte er es nicht getan.
Und so würde er nun, anstatt Dane zu verletzen, dem Jungen hier in diesem Raum Schmerzen zufügen. Er bohrte den Daumen einer Hand in das Kiefergelenk des Jungen und zwang ihn so, den Mund zu öffnen, während er mit der anderen Hand die Hose weiter öffnete. »Na, komm schon, Lucien! Mach auf!«, befahl er leise. »Sei ein guter Junge!«
[home]
8
»
U n cadeau!
Ein Geschenk!«, rief Mimi und stürzte aus ihrem Französischunterricht in Evas Salon.
»Gib das Paket her, du kleiner Satansbraten!« keifte Odette vom Flur hinter ihr her.
Eva betrachtete gerade das Porträt, das Lena von Dane gemalt hatte. Er hatte es an jenem Morgen hier zurückgelassen, und sie legte es schnell wieder in ihren Schreibtisch, weil sie nicht damit ertappt werden wollte. Nur widerwillig riss sie ihre Gedanken von ihrer neuesten Lieblingsbeschäftigung los – zärtlichen Erinnerungen an ihren Liebesakt nachzuhängen. Weder ihre Verwirrung über Danes überstürzten Aufbruch noch Odettes ständige Vorträge und ihr Gemurre hatten ihre aufgeräumte Stimmung bisher trüben können.
Mit hörbarem Bremsgeräusch kam eine quirlige Mimi an Evas Schreibtisch zum Stehen. »Dein Geschenk – es klappert, Mademoiselle!« Demonstrativ schüttelte sie die Schachtel in ihren Händen. »Oh, darf ich es aufmachen? Bitte!«
»Nee, darfste nich’!«, erklärte Odette, die direkt hinter ihr das Zimmer betrat. Sie schnappte Mimi das Päckchen aus den kleinen Händen und ließ es vor Eva auf den Schreibtisch fallen. »Vom Herrn Satyr, ’n Bote hat’s gebracht.«
Danes Handschrift hob sich kräftig und klar von dem weißen Papier ab. Bei dem Anblick wurde Evas Herz vor Entzücken ganz leicht. Noch nie zuvor hatte ein Mann ihr ein Geschenk schicken lassen. Ihre
Maman
hatte viele solcher Päckchen erhalten – Parfüms, Schmuck, Seidenwaren –, von ihren
»senori und messieurs«,
wie sie sie genannt hatte, und ein jedes hatte mit seiner Ankunft große Aufregung im Haushalt ausgelöst.
»Hab sie!« Pinot kam mit einer Schere herein. Schnell schnitt Eva damit die Schnüre durch und wickelte die Schachtel vorsichtig aus. Das Papier wollte sie dann in der Schublade zusammen mit Danes Porträt aufbewahren.
Mimi sah zu und hüpfte auf den Zehenspitzen herum. »Ich hoffe, es sind Bonbons!«
»Egal, was es is’, es is’ nich’ für dich, Mädel!«, wies Odette sie zurecht.
Eva kannte diesen Ausdruck in Odettes Augen. Sie hatte als Kind den Klaps ihrer Hand mehr als einmal gespürt, wenn sie sich danebenbenommen hatte. Mimi hatte den Blick offenbar auch bemerkt, denn sie suchte auf der anderen Seite von Evas Stuhl Zuflucht, so dass sie möglichst weit weg von Odette war, ohne jedoch das große Ereignis des Geschenkauspackens zu verpassen. Eva sah die Dienstmagd mit gerunzelter Stirn an. Sie hatten darüber gesprochen, wie die beiden Mädchen aufgezogen werden sollten und dass sie harte Bestrafungen nicht dulden würde. Das Leben auf der Straße war für Lena und Mimi schon hart genug gewesen. Hier in diesem Haus würde man sie mit Güte behandeln.
Die sonst so ernste Lena spürte die Anspannung und sprang in die Bresche. »Wen kümmert’s schon, was es ist! Es ist von ihrem hübschen Liebhaber. Oh, là, là!«, rief sie aus, wobei sie Evas französischen Akzent gekonnt imitierte, und sank dann mit gespielter Verzückung auf das Sofa nieder, woraufhin Mimi einen Lachanfall bekam.
Da Lena ihre Gefühle für gewöhnlich fest unter Verschluss hielt, wärmte es Eva das Herz, zu sehen, dass Mimi ihr so wichtig war, dass sie wenigstens für einen Augenblick aus ihrem Schneckenhaus kam.
»Wir sin’ nich’ angewiesen auf komische Anderweltkerle, dass se uns Geschenke bringen«, tat Odette kund. »Eva findet bald ’n’ reichen Ehemann. Mit dem sein’ Geld kaufen wir uns dann selber Geschenke.«
»Da hat sie recht. Trotzdem, Herr Satyr
sah
gut aus, nicht wahr?« Eva zwinkerte den Mädchen zu. Endlich war das Päckchen offen, und sie nahm einen Umschlag heraus.
»Ein Brief?« Mimi zog eine enttäuschte Schnute.
Darin war ein Blatt Papier mit einer Unterschrift in
Weitere Kostenlose Bücher