Der Ruf des Satyrs
Zelt, in der – vergeblichen – Hoffnung, dass die drei gutaussehenden Männer darin sie bemerken und ihnen ihre Aufmerksamkeit schenken würden.
»Ich bin so verdammt nutzlos.« Dane ließ sich auf einen leeren Stuhl fallen und stand beinahe sofort wieder auf, um hin und her zu laufen. Er stemmte seine Hände gegen das Stahlrohr, das den Eingang zum Zelt stützte, und starrte auf die Ruinen hinaus. »In den zwei Wochen seit meiner Rückkehr habe ich diesen ganzen Ausgrabungsort schon dreimal besucht. Und nichts. Ich erkenne nicht ein einziges verdammtes Stück davon wieder! Genauso wenig, wie ich mich an ein einziges verdammtes Stück davon erinnere. Es ist, als wäre ich nie hier gewesen.«
Bastian sah von einer Scherbe aus bemalter Terrakotta auf. Er trug eine Brille, die Dane noch nie an ihm gesehen hatte. Die Gläser waren dick und ließen seine Augen stark vergrößert erscheinen, offensichtlich waren sie für eingehende Untersuchungen gemacht. Er ließ sie etwas die Nase hinabrutschen und schaute Dane über den Rand hinweg an. »Wir sind auch den ganzen Platz abgegangen, viele Male. Besonders das Gebiet, in dem du gefunden wurdest, als du ein Jahr nach deinem Verschwinden herumgeirrt bist.«
»Aber die Ausgrabungen gingen weiter, seit du uns verlassen hattest«, warf Sevin ein. »In dreizehn Jahren hat sich vieles verändert. Ausgrabungen und Schutt haben die Landschaft verändert und es beinahe unmöglich gemacht …«
Dane schlug mit der Faust so heftig gegen die Stange unter seinen Händen, dass er damit das Zelt zum Wackeln brachte. »Ich gebe nicht auf, verdammt noch mal. Luc ist nicht tot!«
»Wir sagen auch nicht, er wäre es«, entgegnete Bastian.
Sevin richtete sich auf, mit beiden Füßen fest auf dem Boden. »Wir können ihn auch fühlen. Hier.« Er deutete gegen seine Brust. »Auch wenn es manchen Leuten unsinnig erscheinen mag, wir glauben auch daran, dass er noch lebt. Doch dieses unbestimmte ›Gefühl‹, das wir von ihm haben, zeigt uns keine Richtung, keinen Anhaltspunkt, keinen Beweis für seine Existenz oder seinen Aufenthaltsort. Was sollen wir denn deiner Meinung nach tun?«
»Zur Hölle, wenn ich das nur wüsste!« Rastlos lief Dane auf dem Teppich, der als vorübergehender Fußboden diente, auf und ab. Willkürlich nahm er irgendein Gefäß von Bastians Arbeitstisch auf und warf es achtlos von einer Hand in die andere. »Ich muss noch einmal von vorn anfangen. Irgendetwas übersehe ich. Ich weiß, dass die entscheidenden Hinweise hier irgendwo direkt vor unserer Nase liegen.« Er hielt inne und betrachtete die Urne in seinen Händen genauer. Sie zeigte einen alten Mann, der mit Myrtenzweigen auf ein junges Mädchen einschlug, während er es gleichzeitig mit Wein lockte. »Was zum Teufel ist das hier überhaupt für ein grässliches Ding?«
»Ein unbezahlbares Relikt, das einst der Verehrung der Bona Dea diente«, erklärte Bastian. Urplötzlich lief Dane ein Schauer über den Rücken, als ob sich für einen Augenblick eine Wolke vor die Sonne geschoben hätte. Ihm war, als würde er sich in dem Gegenstand verlieren und in eine vage geformte Erinnerung abgleiten.
Bastian griff über den Tisch und nahm ihm das Gefäß aus der Hand, um es wieder genau an seinen Platz unter den Dingen auf dem peinlich genau geordneten Tisch zu stellen. Augenblicklich schüttelte Dane die grausige Wahrnehmung ab, die ihn für einen Moment in ihrem Bann gehalten hatte, ohne dass er sich dabei genau erinnern konnte, was eigentlich gerade geschehen war.
»Wir wollen Luc ebenso sehr wiederfinden wie du«, versicherte Bastian. »Das ist der ursprüngliche Grund, warum ich mich zu dieser Art Arbeit hingezogen fühle und warum ich immer den Drang hatte, die Geheimnisse des Forums zu ergründen. Ich hege immer noch die Hoffnung, dass sie uns eines Tages zu ihm führen.«
»Du siehst also …«, begann Sevin. Doch plötzlich hob Dane die Hand und unterbrach ihn. Da kam jemand. Eine Frau. Eva.
»Excusez-moi, messieurs«,
sagte sie, als sie einen Augenblick später das Zelt betrat und ihren Sonnenschirm schloss.
Als sie eintrat, standen seine Brüder höflich auf. Sie war so schön, wie er sie in Erinnerung hatte, genauso frisch und heiter, und das graue Kleid, das sie trug, hatte Ähnlichkeit mit dem, das sie im Hain getragen hatte. Es weckte den Wunsch in ihm, sie aus ihrer züchtigen Umhüllung zu befreien, um die Rundungen, die er darunter wusste, unter seinen Händen zu spüren. Er verlagerte
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