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Der Ruf des Satyrs

Der Ruf des Satyrs

Titel: Der Ruf des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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entgegnete Eva.
    »Und was ist das genau?«
    »Ein Ball, auf dem die Oberschicht so tut, als erwecke sie mythologische Geschöpfe zum Leben. Die Arbeit deines ältesten Bruders in den Ruinen des Forums hat sie dazu inspiriert. Immer wenn er auch nur die kleinste Entdeckung macht – ein neues Stück Mosaikarbeit oder eine neue Büste –, bietet das eine willkommene Rechtfertigung für noch einen Kostümball, um die Entdeckung zu feiern. Diese Veranstaltungen sind zurzeit ein konstanter Bestandteil der Gesellschaft hier in Rom.« Sie deutete auf zwei Männer, an denen sie gerade vorbeikamen, beide als Satyrn verkleidet. »Und da du hier das Original bist, sah ich keinen Grund für ein Kostüm. Außerdem möchte ich, dass die Damen dich so zu sehen bekommen, wie du bist, mit allen Vorzügen.«
    Dane seufzte. »Dann bin ich also ein Stück Fleisch in der Auslage eines Metzgers?«
    Amüsiert über seinen leidenden Tonfall machte Eva den Fehler, zu ihm aufzusehen. Er sah so unglaublich gut in seinem dunklen Abendanzug aus. Die Aura jeder Frau, die an ihnen vorbeilief, reagierte auf ihn. Doch diese Information würde sie jetzt noch nicht mit ihm teilen. Die Tatsache, dass Frauen intensiv auf sie reagierten, machte Männer manchmal nervös. Es war, als ob sie erwarteten, dass eine Frau wie in einer Wolke umherwanderte, ohne irgendetwas, das mit Reizen zu tun hatte, zu bemerken, und die Partnerwahl völlig den Männern überließ.
    Danes Hand berührte nur leicht Evas Rücken, doch er dirigierte sie selbstsicher durch das Gedränge. Sie genoss dieses geringe Maß an männlicher Dominanz, und für einen Augenblick war es leicht, so zu tun, als würden sie einander gehören. Bisher hatten sie über das Angebot, das sie ihm in den Ruinen gemacht hatte, noch nicht gesprochen, doch es stand zwischen ihnen, im Augenblick noch ein Tabu.
    Mit dem Anlegen ihrer Maske heute Abend hatte sie sich gezwungen, die Rolle der Ehemaklerin anzunehmen. Es war an der Zeit, ihn loszuschicken, damit er sich eine andere Frau erwählte, eine, die seine Ehefrau würde. Beiläufig entzog sie sich ihm. »Ich möchte gern etwas trinken«, äußerte sie in dem plötzlichen Bedürfnis nach etwas, das sie bei ihrer Aufgabe unterstützte.
    Während Dane zwei Gläser vom Tablett eines vorbeikommenden Dieners nahm und ihr eines davon reichte, nahm Eva die anderen Anderweltwesen zur Kenntnis, die sich hier unter die kostümierten Menschen mischten. Sie alle hielten sich verborgen und achteten darauf, keine Versammlungen zu bilden, doch sie konnte ihre verstohlenen Blicke spüren. Zwischen ihnen allen bestand eine gewisse Achtsamkeit, als wären sie Mitglieder einer Art Geheimgesellschaft.
    Kobolde, etwa halb so groß wie Dane, bahnten sich ihren Weg durch das Gedränge und balancierten Tabletts mit Getränken und Horsd’œuvres über ihren Köpfen. In dieser Welt fanden sie häufig Arbeit als Servierer und ließen sich auch leicht für derartige Arbeit ausbilden. Hin und wieder vollführten sie komplizierte Wirbel und Schnörkel, die die Gäste applaudieren ließen.
    Gerade als Eva mit Dane unter einer der großen Zentaurenstatuen stehen blieb, trappelte ein echter Zentaur vorbei und zwinkerte ihnen zu. Sie lächelte geheimnisvoll und nippte an ihrem Getränk.
    Dane warf ihr einen fragenden Blick zu. »Ein Bekannter?«
    »Ein ehemaliger Kunde. Nun glücklich verheiratet, dank meiner Bemühungen in seiner Sache, möchte ich hinzufügen«, antwortete sie spitz.
    Sie ließ den Blick über die Menge schweifen und fand es faszinierend, dass die Menschen all die Dinge, die für Dane und sie selbst heute Abend so offensichtlich waren, gar nicht bemerkten. Hier ein Funkeln von Haut, dort ein Paar Flügel, die eher aus Fleisch und Blut bestanden als aus Stoff und Pailletten. Ein Zentaur, der auf zwei Beinen zu gehen schien anstatt auf seinen üblichen vier. Es war verblüffend, dass noch niemand in der Erdenwelt bemerkt hatte, dass Wesen aus einer anderen Welt hier unter ihnen lebten.
    »Wie kann man so viele Hinweise nur übersehen?«, murmelte sie kopfschüttelnd.
    »Sie sehen nur das, was sie zu sehen erwarten – was wir sie sehen lassen wollen. Doch eines Tages wird etwas schieflaufen, und dann werden ihnen die Augen aufgehen.«
    »Umso mehr Grund, so bald wie möglich eine Ehefrau für dich zu finden«, sagte sie und rief sich selbst dabei im Stillen streng zur Ordnung. Sie würde ihn losschicken, so wie es sein musste, und sie würde sich heute Abend auf

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