Der Ruf des Satyrs
römischen Gott des Weines, erinnerte. Wein floss aus einem halben Dutzend Zapfhähnen, die in seinem Inneren verborgen waren. Viele der zur Schau gestellten erlesenen Früchte wurden hier in dieser Welt mit Saatgut aus der Anderwelt angebaut: Tomaten, die wie Sterne geformt waren, Weintrauben mit außergewöhnlichem Geschmack. Es schien undenkbar, dass die Menschen die Veränderung ihrer Erzeugnisse und Speisen nicht wahrnahmen. Doch diese Veränderungen hatten schrittweise stattgefunden, und die Magie, die ganz Rom und die Toskana umhüllte, hatte die Menschen glücklicherweise so eingelullt, dass sie das alles akzeptierten.
Eva fühlte Gaetanos Ungeduld, doch sie nahm sich Zeit, um die ausgestellten Leckereien zu begutachten, mit den Köchen über deren Vorzüge zu plaudern und vorbeikommende Bekannte zu grüßen. Heimlich ließ sie dabei ihren Blick immer wieder über das Gelände schweifen, auf der Suche nach Dane, in der Hoffnung, er würde erscheinen und sie vor einem bevorstehenden Heiratsantrag Gaetanos retten. Ein widernatürlicher Wunsch ihrerseits, denn immerhin hatte sie ebendiesen Mann wochenlang umworben.
»Evangeline, ich möchte gern mit Ihnen über eine besondere Angelegenheit sprechen«, begann Gaetano. Er klang wichtigtuerisch und so, als hätte er diese Worte lange einstudiert.
»Oh?« Sie ahnte, was nun kommen sollte, und ihr Herz hämmerte in dem verzweifelten Wunsch, es hinauszuzögern. Im Stillen rief sie sich zur Ordnung. Sie musste es zulassen, dass er ihr einen Antrag machte, zum Wohl ihrer Mädchen, für Odette, für Pinot und für sich selbst. Sie und Dane konnten immer noch gelegentlich zusammenkommen. Es war alles beschlossene Sache. Also …
»Eva!«
Sie drehte sich um, unendlich erleichtert, Alexa zu sehen, die winkend auf sie zueilte. »Sehen Sie, da kommt Ihre Schwester!«
»Sie kann warten.« Besitzergreifend nahm Gaetano Eva am Arm und versuchte sie fortzuführen.
»Oje!« Eva täuschte vor, dass ihr die Kerze versehentlich aus der Hand rutschte, die daraufhin ausging, so dass Alexa zu ihnen aufschließen konnte.
»Meine Liebe!« Die Freundin küsste sie liebevoll auf die Wange, als sie sie erreicht hatte. »Oh, hast du deine Kerze verloren? Tano, warum gehst du nicht und holst ihr eine neue? In dieser Zeit kann ich Eva meine Neuigkeiten berichten!«
Gaetano versuchte, zu protestieren, doch Alexa scheuchte ihn davon. »Nun geh schon, Bruderherz! Du weißt es ja schon, und ich will es Eva unter vier Augen erzählen.«
Mit einer knappen Verbeugung und einem verdrossenen Seufzer schritt Gaetano von dannen.
»Darauf kommst du nie!«, flüsterte Alexa und zog sie von den Tischen weg.
»Dann sag es mir«, meinte Eva.
Alexa ergriff ihre beiden Hände, ihre Augen leuchteten voller Aufregung. »Ich bin verlobt!«, verkündete sie dramatisch.
»Was?!«
»Ich bin verlobt – ich werde heiraten!«
Völlig überrascht drückte Eva ihr die Hände. »Aber das ist ja wundervoll! Wie ist es dazu gekommen – und wann? Und warum flüsterst du?«
»Weil Mutter erst eine formelle Verkündung in den Zeitungen haben möchte, bevor sich die Nachricht verbreitet. Und vielleicht, weil ich Angst habe, es in die Welt hinauszurufen, aus Furcht, festzustellen, dass es nur ein Traum ist. Du bist die Erste, die es erfährt.«
»Und dein Bräutigam? Wer ist es?« Eva lächelte und fragte sich, welcher von Alexas vielen Bewunderern letztendlich das Rennen gemacht hatte. »Signor Fitzgerald?«
Alexa zog die Nase kraus. »Nein! Nicht der. Glaubst du, dann wäre ich so glücklich? Es ist dein Schützling, Herr Satyr«, verkündete sie mit blitzenden Augen.
Schlagartig wich das Blut aus Evas Gesicht, sie wurde blass und war für einen Augenblick sprachlos. Vor ihren Augen tanzten Sterne, und kalter Schweiß trat auf ihre Oberlippe. Benommen fächelte sie sich in dem Bemühen, aufrecht stehen zu bleiben, Luft zu. »Dane?«, brachte sie schließlich heraus.
»Ja!« Alexa hüpfte auf den Zehenspitzen, so wie Mimi, wenn sie aufgeregt war. »Ich muss zugeben, dass meine Mutter die Hand im Spiel hatte, aber ich bin auch dir zu großem Dank verpflichtet, denn du bist es ja, die uns auf der Gala vorgestellt hat.«
O nein! So bald schon sollte sie Dane verlieren? Und auch noch an ihre liebste Freundin? Bitte, nein, lass es ein Irrtum sein! Wie sehr sie sich wünschte, jetzt in einer Wolke aus Magie verschwinden zu können, so wie in einem von Mimis Märchen. Doch sie brachte nicht einmal einen
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