Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
knurrte Timothy, »oder es wird einigen Leuten verdammt schlecht ergehen.«
»Was ist los, Tiny?«
»Wie es aussieht, haben die Brookers Daniel eingesperrt und pumpen ihn mit Drogen voll.«
»Aber warum, um Himmels willen?«
»Der Kunstmarkt ist ein Markt wie jeder andere. Es ist ein Bombengeschäft, wenn es dir gelingt, ein Genie zu monopolisieren, Doc. Bei den großen Toten geht das natürlich nicht mehr, aber bei den Lebenden. Du kaufst unter der Hand alle Werke auf, setzt den Künstler in einen goldenen Käfig und versuchst, eine möglichst hohe Produktion aus ihm herauszuholen. Wenn er wie eine Zitrone ausgepreßt ist, wirfst du ihn weg. Sobald ein Künstler tot, das heißt sein Werk limitiert ist, steigen die Preise, und wenn es sich, wie bei Daniel, um ein Genie handelt, steigen sie ins unermeßliche.«
»Gibt es da keine Paragraphen im Strafgesetz?«
»Natürlich: für Erpressung, Freiheitsberaubung, Mord – aber beweise einem Bigboss mal so was! Aus diesem Grund haben sie ja schon vor fünfzig Jahren ein Abkommen geschlossen: die ›Golden-Gate-Convention‹ zum Schutz und zur Förderung der Schönen Künste.«
»Klingt gut«, meinte Doc.
»Wie so vieles. Dahinter steckt nichts anderes als handfeste Kapitalinteressen. Die Jagd nach Kunstwerken hatte zu einer katastrophalen Situation geführt. Fälschungen grassierten nur so, sogar namhafte Experten wurden durch die horrenden Honorare korrumpiert, und falsche Expertisen waren durch den mangelhaften Kontakt nach DRAUSSEN kaum zu widerlegen. Von manchen Malern gab es so viele ›garantiert echte‹ Gemälde, daß sie jeden Tag eines hätten gemalt haben müssen: Van Gogh, Picasso, Klee, Renoir, Gauguin –«
»Ich kann mir vorstellen, wie wütend die Bigbosse da wurden.« Doc griente hämisch. »Schadet ihnen gar nichts.«
»Das schon, aber vergiß nicht die Auswirkungen auf die lebenden Künstler! Sobald sich jemand als Talent erwies, wurde er unter verlockenden Versprechungen zu einem Exklusiv-Vertrag verleitet und eingesperrt, bald begann man, sich gegenseitig die Künstler zu kidnappen, viele wurden dabei verletzt oder getötet, manche auch brutal gefoltert, um Werke herauszupressen, und sobald einer ausgebrannt war, wurde er umgebracht; relativ feste Preise bilden sich erst, wenn ein Lebenswerk abgeschlossen ist. Die Jagd nach immer neuen Talenten führte dazu, daß man schon begabte Kinder aufspürte und unter Verschluß ausbildete, um zu ›Genies in Privatbesitz‹ zu kommen. Als der Kunstmarkt völlig zusammenzubrechen drohte, einigten sich die Bigbosse auf die ›Golden-Gate-Convention‹. Seitdem wacht einer argwöhnisch über den anderen.«
»Da hättest du doch genügend Verbündete«, meinte Doc.
»Erst einmal muß ich Beweise gegen Brooker haben. Ich hoffe, Smiley bringt mir welche.«
Smiley kam mitten in der Nacht. Er war durchgefroren, erschöpft und mächtig sauer.
»Nie wieder schickst du mich im Winter aufs Land!« erklärte er. »Nichts als Nebel, Smog und Saukälte. Und der Schnee! Ich dachte immer, blauer und roter Schnee sei eine Erfindung der Reklameleute, aber den gibt es ja wirklich! Kniehoch!«
»Dann geh sofort ins Bad und entseuche dich«, sagte Timothy. »Verrate mir nur schnell, ob du Erfolg hattest.«
»Erfolg?« Smiley zuckte mit den Schultern. »In Kankakee hat offensichtlich niemand deinen Freund gesehen; auch mit dem gealterten Bild habe ich nichts erreicht. In der Nähe des Landhauses ist ein paarmal ein Mann gesehen worden, aber nie aus der Nähe. Die Leute hielten ihn für einen übergeschnappten Verwandten, den die Brookers dort versteckten. Er soll wie wild über die Wiesen getobt sein und wurde immer von zwei Pflegern bewacht. Und nachts hat man oft ›Geistertöne‹ gehört. Jetzt steht das Haus leer. Eindringen konnte ich nicht, die Klimasphäre war eingeschaltet. An der Rückseite ist im ersten Stock eine Zimmerflucht vergittert. – Kannst du was damit anfangen?«
»Ich weiß noch nicht«, antwortete Timothy nachdenklich. »Ich mach’ dir erst mal einen Grog.«
Drei Stunden nachdem Smiley gegangen war, wußte Timothy es.
13.
Timothy brauchte lange, bis er mit seiner Maske zufrieden war. Ein verhärmter Mann mit kurzgeschorenen, vergilbten Haaren und einem Mal unter dem linken Auge sah ihn im Spiegel an. Er setzte sich vor den Communicator und ließ sich mit Earl Brooker verbinden; wenn Brooker das Gespräch zurückverfolgen sollte, würde Napoleon ihm eine öffentliche Sprechstelle in der
Weitere Kostenlose Bücher