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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
Autoren: Gert Prokop
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UNDERGROUND aufnehmen konnte. Und dann den Communicator des Penthauses benutzen? Immerhin, ein vertretbares Risiko.
    Timothy wurde ruhiger. Und jetzt fiel ihm auch die Smogkontrolle ein. Der UNDERGROUND, das hatte Anne ihm einmal erzählt, benutzte gelegentlich die Peilgeräte der automatischen Smogkontrolle zur Nachrichtenübermittelung. Mit dem »Monofly« konnte er heute nacht eines der Geräte anfliegen und einen Hilferuf morsen. Timothy klatschte zufrieden in die Hände. »Na also«, sagte er. »Nur nicht kopflos werden.«
    3.
    Sobald die Dämmerung einsetzte, ging er hinaus auf die Plattform, kauerte sich hinter der Brüstung auf den Boden und suchte die Fassade ab. Etwa hundert Meter über seinem Standort entdeckte er etwas, das ein Smogüberwachungsgerät sein konnte. Timothy montierte das Nachtsichtgerät vom »Mono-fly« ab. Neben einem vergitterten Ausstieg war ein Kasten mit einem Doppelauge in die Platten eingelassen. Timothy wartete über eine halbe Stunde; beide Linsen blieben tot. Dann fluchte er laut und stellte von Lichtverstärkung auf Infrarot. Jetzt sah er einen unmodulierten Strahl, der hinüber zum Sears Tower ging, und nachdem er das Nachtsichtgerät auf die Brüstung gelegt hatte, entdeckte er einen Strahl, der vom Sears Tower weiter stadteinwärts lief.
    Er huschte ins Haus und machte den »Monofly« startklar. Hier drinnen war es trotz der riesigen Glaswände schon recht dunkel. Timothy setzte sich in eine der Toiletten, um seine Nachricht ins Morsealphabet zu übertragen; er schrieb die Zeichen vorsichtshalber auf beide Handrücken.
    Am liebsten wäre er sofort hochgeflogen, aber es war noch zu hell. Und entschieden zuviel Betrieb in der Luft. Er durfte nicht riskieren, daß er aus einer vorbeifliegenden Maschine entdeckt wurde. Er aß zwei Scheiben Brot und etwas Käse, eine Tomate und eine Apfelsine, trank dazu ein Glas Wasser mit einem Spritzer Whisky, dann legte er sich in einen Stuhl und stellte den Wecker an seinem Armband auf zehn Uhr.
    Es war eine mondhelle Nacht, aber die Wand lag noch im Schatten. Timothy sollte es recht sein. Er beglückwünschte sich einmal mehr, daß er damals mit Inger nach Seabridge geflogen war. Er hatte die Atemmaske aufgesetzt, falls er in einen Schwall verseuchter Luft geraten würde.
    Hoffentlich nutzte der UNDERGROUND auch heute nacht den Peilstrahl. Notfalls konnte er es morgen noch einmal versuchen; der Aufstieg war wahrlich nicht schwer. Timothy stellte die Staudüsen so ein, daß er – zwischen dem nächtlichen Aufwind und dem Druck der Düsen eingeklemmt – in knapp zwei Metern Abstand geradenwegs an der Wand des »Nebraska« hochtrieb. Nur einmal steuerte er die Nische zwischen dem Hauptgebäude und dem südöstlichen Pfeiler des Hauses an und wartete, bis ein Taxi, das einen Bogen um seine Ecke zog, wieder verschwunden war. Bevor er weiterflog, warf er einen Blick über die Stadt. Begeisterung erfaßte ihn. Und Wehmut. Würde er diesen Anblick je wieder genießen dürfen?
    Der Winter hatte den Smog weitgehend vertrieben; nur dünne Schichten, die wie helleuchtende Filigranschleier wirkten, lagen über der Unterstadt, und aus ihnen ragten die Hochhäuser und Skyscraper mit ihren Millionen von Lichtern in den sternklaren Himmel.
    Ein Windstoß preßte ihn in die Ecke; Timothy hatte Mühe, ihn auszusteuern. Purer Wahnsinn, jetzt den Anblick des nächtlichen Chicagos genießen zu wollen! Er saß hier nicht hinter den schützenden Fenstern der Bar.
    Timothy flog wieder hinüber zur Wand, geriet in einen gleichmäßigen Aufwind, ließ sich hochtreiben; dort war der Ausstieg! Er streckte die linke Hand aus, um sich am Gitter festzuhalten, da sackte er ab.
    Ein Unterdruckwirbel riß ihn fort, schleuderte ihn gegen die Wand, einmal, zweimal, die Haut zerfetzte an den schartigen Platten, Timothy schrie laut auf, ein stechender Schmerz fuhr durch seinen linken Fuß, den er unwillkürlich ausgestreckt hatte, um sich von der Wand abzufedern, er kam ins Trudeln, stürzte kopfüber nach unten, die Plattform des Penthauses raste auf ihn zu; Timothy versuchte verzweifelt, den »Monofly« wieder unter Kontrolle zu bekommen, drückte mit beiden Händen die Steuerdüsen durch, wurde in jähem Bogen zur Seite gerissen, kreiselte, schlug rücklings auf, etwas zerbrach lautkrachend, er wurde wieder hochgeschleudert, bekam mit letzter Kraft die Brüstung zu fassen, klammerte sich mit beiden Händen an, preßte die Augen zusammen, schlug die Zähne in die Unterlippe,
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