Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
die Suche nach den Kidnappern machen. Notfalls könnte ich sogar behaupten, ich hätte es mir überlegt und ihm helfen wollen, doch das wird hoffentlich nicht nötig sein; Devlin würde es nur zu gerne mißverstehen. Außerdem will ich bei dem falschen Peaboddy ansetzen. – Dazu brauche ich eine zweite Communicstrecke, Anne, in einer anderen Wohnung im ›Nebraska‹.«
»Das wäre leichtsinnig, Tiny. Jemand könnte dich sehen –«
»Ich will diese Wohnung überhaupt nicht betreten!«
»Sollen wir etwa eine Querleitung in dein Appartement legen? Das würde die NSA sofort auf deine Spur bringen.«
»Ganz im Gegenteil, meine Liebe. Die NSA wird sogar helfen, daß mich niemand entdeckt. Wir wissen, daß von jedem Appartement eine Leitung zu dem geheimen Stockwerk führt. Wir müssen also nur dort unten die beiden Leitungen miteinander verbinden.«
»Laß es mit dem Teufel zugehen, und die NSA macht gerade einen Tag später eine Routineinspektion in der Geheimetage.«
»Es ist nun wirklich kein Problem, eine Sicherung einzubauen, so daß die Querschaltung spurenlos nihiliert wird, sobald jemand die Etage betritt. Ich muß unbedingt herausbekommen, was hinter der Sache steckt. Verlaß dich auf meine Nase, Großer Bruder, es stinkt gewaltig!«
»Ach, Tiny, paß nur auf deine Nase auf!«
6.
Timothy räumte vergnügt das Teufelspuzzle beiseite. Wie hatte Devlin gesagt: Der bescheidenste Fall ist hundertmal interessanter als das komplizierteste Puzzle.
Die Zeit bis zur Herstellung der zweiten Communicleitung verwandte Timothy auf die Spuren des Kidnappings. Zum Glück hatte er an jenem Morgen nicht geschlafen, sondern Proben aus den Tracern in die Geräte gespeichert und Präparate von den Haaren und dem Fingernagel des toten Gangsters angefertigt. Er versprach sich nicht viel davon, aber schon oft hatte eine zuerst unbedeutende Spur zur Lösung eines Falles geführt.
Als Timothy schließlich die Haar- und Nagelproben in den SAXLAS 34 legte, zeigten beide übereinstimmend und in verblüffend regelmäßigen Abständen Chlorylpanthenol-Moleküle.
Timothy gab Napoleon die Werte und bat um eine Interpretation.
»Wenn ich, gemäß dem rekonstruierten Porträt des Probanden, eine gesunde, weiße männliche Person zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahren als Arbeitshypothese zugrunde lege«, antwortete Napoleon nach einer Weile, »und von einem Quotienten ausgehe, wie er dem Durchschnitt dieses Typs entspricht, das heißt mit einem Wachstum der Haare von null-Komma-dreizwei Millimetern und der Nägel von null-Komma-zweivier rechne, muß der Proband in den letzten drei Monaten in regelmäßigen Intervallen in einer mit Chlorylpanthenol angereicherten Atmosphäre gelebt haben, und zwar für jeweils vierzehn Tage, denen drei Wochen in normaler Atmosphäre folgten, und das bis zu seinem Tod, denn die untersten Moleküle befinden sich direkt über der Haarwurzel. Den Schluß auf einen atmosphärischen Einfluß erlaube ich mir deshalb, weil Chlorylpanthenol bei anderer Aufnahme als durch Atmung im Körper abgebaut werden würde.«
»Danke schön, Napoleon. Und wo gibt es solche Atmosphäre?«
»In wissenschaftlichen Instituten, die bakterienfreie Luft benötigen – Chlorylpanthenol ist ein antibakterielles Desinfektionsmittel, das unter anderem auch in Zahnpasta verwendet wird –, derartige Institute gibt es sowohl im zivilen wie militärischen Bereich. Ich habe jedoch keine Adressen gespeichert. Soll ich recherchieren, Sir?«
»Vielleicht später einmal, Napoleon.«
Timothy schlenderte pfeifend in die Küche, um die Schollen zu braten, und da er zum ersten Mal seit Wochen mit sich zufrieden war, genehmigte er sich dazu einen Salat aus jungen Kartoffeln und ein Glas Moselwein.
Den Nachmittag verbrachte er am Bildscanner mit der Herstellung von Phantomfotos. Er änderte die Bilder, die er Devlin abgeluchst hatte, durch Bärte, Frisuren, Brillen, Haftschalen und kleine Narben oder Verunstaltungen, wie sie als Tarnungen leicht angebracht werden konnten, so weit, daß sie auf Anhieb nicht wiederzuerkennen waren, der Fahndungscomputer der Polizei sie jedoch durchschauen und die Originalgesichter herausfinden müßte, und fertigte ein Dutzend frei erfundener Porträts als Füllsel. Dabei kam ihm die Idee, sein eigenes Bild unterzumischen. Er nahm eines, auf dem er zwanzig Jahre jünger war, eine Differenz, die jeder Fahndungscomputer leicht überbrückte; es war gut, zu wissen, ob auch er im Computer steckte.
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