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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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ragte so hoch auf, dass er das Haus verdeckte. Hiro sah einen Toyota, ein amerikanisches Auto, das auch wie ein Toyota aussah, und einen Mercedes – eine große königsblaue Mercedes-Limousine –, der mit offenem Kofferraum am Rand des Wegs stand. Und dann, während das Gras unter seinen Füßen dem Asphalt wich und die Rufe hinter ihm zu leisem Kichern verebbten, schoss ihm etwas durch den Kopf, was Ruth einmal erwähnt hatte: Bei dem ist der Kofferraum so groß wie der Grand Canyon.
    Der Rest war ein Durcheinander – ein planvolles Durcheinander. Neue Stimmen brandeten heran, Männerstimmen, und zu seiner Linken bemerkte er eine Bewegung. Jetzt oder nie. Er kämpfte den Impuls zum Davonlaufen nieder, überquerte mit forschen, geschäftsmäßigen Schritten den Asphalt – hinter der Forsythie ging es rund, Beine, Schuhe, Stimmengewirr –, und mit einer einzigen, glatten Bewegung warf sich Hiro in den Kofferraum des Mercedes, als fiele er ins Bett. Mehrere Dinge piksten und drückten ihn – Fischerausrüstung, ein Campingkocher –, aber er hatte keine Zeit, sich deswegen zu sorgen. Er hob die rechte Hand aus den Tiefen des Kofferraums, bekam die metallene Kante der Klappe zu fassen und dann, so ruhig, als zöge er sich die Bettdecke über den Kopf, machte er sie zu.

DAS WEISS DER FISCHE
    Dieser Dreckskerl, dieser verdammte Dreckskerl. Der Blamagepegel schoss hier in die Höhe wie eine Rakete. Wie lange hatten sie jetzt gebraucht – sechs Wochen? –, um sich diesen Scherzkeks zu schnappen? Sechs Wochen, um einen einzigen lächerlichen, schwachbrüstigen, fettarschigen Japsen einzufangen, der aussah wie ein Zwölfjähriger. Und nun, als es endlich gelungen war, als er aufgestöbert, eingebuchtet und weggesperrt war wie ein Hamster in seinem Käfig, da ließen ihn diese Bauerntölpel wieder ausbüchsen. Tja. Also. Und was nun? Die Nationalgarde anfordern?
    Lewis Turco war sauer. Er kochte vor Wut. Es dämmerte bereits, und die Sache sah schlecht aus. Kein Mensch wusste irgendetwas, schon gar nicht dieser Halbintelligenzler von Hilfssheriff, der die Tür aufgeschlossen hatte, um den Häftling auf die Fähre zu bringen, und eine leere Zelle vorgefunden hatte. O ja, ein paar Stühle waren schon noch drin gewesen, klar doch, übereinander aufgetürmt unterm Fenster, und im Fenster fehlten auch nicht sämtliche Gitterstäbe, aber dennoch war die Zelle leer, jedenfalls hundert Prozent japsenlos. Er hatte dann seinen Kumpel gefragt, was da passiert sei, aber der Kumpel war hinterm Haus schiffen gewesen, und dann waren sie übereingekommen, lieber dem Sheriff Bescheid zu sagen, und nun waren alle da, rannten in der Gegend herum wie Geistesgestörte und brüllten einander an. Währenddessen schwand das Licht fast völlig, diese Künstlertypen lungerten auf der Veranda herum und genossen das Schauspiel, die Hunde waren wieder zu Hause in Niggertown, und der Sheriff sah aus, als hätte er sich gerade in den Arsch gebissen und das Stück gleich runtergeschluckt. Und der Japse – der Japse war wahrscheinlich schon auf halbem Wege nach Hokkaido. Die Inkompetenz dieser Leute hier! Alles so beschissen und bescheuert. Verdammt noch mal!
    Und diese Künstler. Mannomann, zum Kotzen waren die. Dieser Aberclown wanzte sich bei ihnen ran, vor allem bei dieser kleinen jüdischen Schlampe, die den Japsen die ganze Zeit über versteckt hatte – versteckt hatte sie ihn, alle angelogen und an der Nase herumgeführt. Ein Riesenspaß. Ha, ha, ha. Und jetzt stand sie auch wieder da oben, mitten in der Menge, hielt sich an einem Drink fest und machte große, unschuldige Augen, brav und rein wie Shirley Temple – sie hatte bestimmt keine Ahnung von der Sache.
    Er hätte es schon rausgekriegt. Wenn von Aberclown nur grünes Licht gekommen wäre, hätte er hundertfünfzig Prozent von dem herausgefunden, was sie wusste, von der Kontonummer ihres Daddys bis zur Anzahl der Haare an ihrer Möse – er hatte schon etliche ziemlich brutale Verhöre durchgeführt, mit Männern und mit Frauen; Vietcongs, die hart und stumm wie ein Stein gewesen waren, hatte kein Mensch so viel Angst einflößen können wie er – aber bei ihr war es ja kein Verhör gewesen, sondern ein Teekränzchen. Zwei verschwitzte, stinkende Stunden hatte er mit Aberclown und dem Sheriff herumgesessen und sich die ganze Zeit über beherrscht, sie nicht an den Haaren zu packen und ihren Kopf nach hinten zu reißen, bis sie endlich den Mund aufmachte, als hätte man eine Schlange

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