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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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gewesen. Er hatte sich von Abercorn versprechen lassen, dass sie sanft mit ihr umgehen würden – und nein, niemand denke an so etwas wie Strafverfolgung, natürlich nicht –, und er war ja bei dem Verhör dabei gewesen, bis Theron aufgestanden war und ihn hinausgebeten hatte. Sie war ihm ganz munter erschienen, als er sie zum Abschied geküsst hatte, war offenbar wieder die alte gewesen. Falls sie doch etwas gelitten hatte, dann geschah es ihr nur recht. Er glaubte ihr, dass dieser kleine Japaner nichts als eine Kuriosität für sie gewesen war – er war ja wirklich eine lachhafte, klägliche Erscheinung, mit einem Gesicht wie aus weicher Knete und einem Kopf, der viel zu groß für seinen Körper war –, aber sie hatte es zu weit getrieben. Die Vorstellung, dass sie das Ganze vor ihm geheim gehalten hatte, vor ihrem Partner, ihrem Freund – dabei würde er alles für sie tun, das wusste sie genau –, das tat weh, da ließ sich nichts beschönigen.
    Aber Saxby war kein Kind von Traurigkeit. Er schaltete auf einen anderen Radiosender um, und in der kleinen, sanft beleuchteten Fahrerkabine des luxuriösen Gefährts erklangen jammernde Fiedeln und metallische Gitarren, und ehe er es selbst so richtig merkte, jodelte er bei einer Melodie über Fernfahrer und treue Hunde mit und vergaß Ruth wieder; an ihre Stelle schob sich die alabastern schimmernde Vision eines Zwergsonnenbarsches, der durch die stillen, krautigen Tiefen des Okefenokee glitt.
    Es war dunkel, als Saxby in Ciceroville ankam. Er fuhr zum Auftanken zu Sherms Chevron-Station, dann bog er auf den Parkplatz des »Tender Sproats Motel« ein, dessen Eigentümer Mr. Gobi Aloo war. Bis auf unzählige Fliegen war die kleine Rezeption leer, aber als Saxby auf den Summer drückte, der mit der Wohnung hinter dem Motel in Verbindung stand, erschien Gobi lautlos wie ein Dschinn aus der Flasche. Die Miene des kleinen Mannes leuchtete vor Freude auf, als er sich durch die Tür schob und zur Theke watschelte, einen Hauch von Curry hinter sich herziehend. »Na, wenn das nicht der große Saxby Lights höchstpersönlich ist, direkt von Tupelo Island/Georgia.« Er quetschte die Silben zwischen seinen fleischigen Wangen heraus, sprach in einem gedehnten Südstaaten-Akzent, den er sich innerhalb weniger Tage nach seiner Emigration aus dem Pandschab zugelegt hatte. »Saxby, Saxby«, nölte er wie ein Einheimischer und wiegte den kleinen Kopf, dann aber verfiel er, wie es gelegentlich seine Art war, doch wieder in den melodischen Singsang des indischen Subkontinents: »Nun, was verschafft uns das Vergnügen? Es geht um Fisch, darf ich annehmen, ja?«
    »Erraten, Gobi.« Saxby konnte sich kaum beherrschen, er platzte mit der Neuigkeit heraus. »Roy hat sie gefunden. Sobald ich hier eingecheckt habe, geh ich direkt rüber, um mir anzusehen, was er da gefangen hat. Morgen früh werfen wir die Netze aus, und dann haben wir hoffentlich Glück. Ich meine, richtiges Glück. Riesenglück.«
    Gobi strahlte ihn an, ein schwabbliger kleiner Mann, der eine schmutzige Schiebermütze, ein ausgeleiertes T-Shirt und einen Overall trug. Wäre da nicht das Kastenmal auf seiner Stirn gewesen, hätte man ihn für einen sonnenverbrannten Einheimischen halten können. Sein Südstaatenakzent wurde noch breiter: »Wirst schon Glück haben. Tu ich überhaupt nicht dran zweifeln – weil verdient hast du’s ja.« Er drehte den Kopf, um einen rötlich-braunen Schwall Kautabak und Betelnusssaft in den Papierkorb unter der Theke zu spucken.
    Bei seinen letzten beiden Fahrten in den Okefenokee-Sumpf hatte Saxby hier übernachtet, im »Tender Sproats Motel« von Ciceroville. Es lag zwar fünfundsiebzig Kilometer von der Anlegestelle im Stephen C. Foster State Park entfernt, am westlichen Rand des Sumpfgebiets, aber es waren nur fünf Minuten Fußweg zu Roy Dotsons Haus. Und deswegen lag es für Saxby sehr günstig. Er trug sich in das Register ein, das Gobi ihm über die Theke schob.
    »Also, bleibst du eine Nacht oder zwei?«
    »Eine«, antwortete Saxby, drückte ihm einen Zwanziger in die Hand und ließ sich einen abgegriffenen Dollarschein und drei Fünf-Cent-Stücke herausgeben. Wenn alles gut lief, würde er morgen Abend schon wieder nach Tupelo zurückfahren; falls nicht, hatte ihm Roy eine Sondergenehmigung besorgt, mit der er sein Zelt auf Billy’s Island aufschlagen konnte, und zwar so lange wie nötig.
    »Hör mal«, sagte Gobi und reichte ihm den Zimmerschlüssel. Sein

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