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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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er sich fast in seine Jugend zurückversetzt, auf eine Fahrt über den Lake Casitas mit seinen Eltern und seinem Bruder Holger.
    Eine weitere Überraschung war die Anlegestelle auf Billy’s Island. Es gab dort tatsächlich eine Anlegestelle, nicht viel mehr als zwei ins trübe Wasser getriebene Pfosten mit ein paar verwitterten Bohlen dazwischen, aber dennoch eine Anlegestelle. Und dahinter: terra firma. Oder beinahe. Langsam fühlte er sich ein wenig hochgerüstet in seinen Stiefeln und der Schwimmweste – er hatte es sich so ähnlich wie in African Queen vorgestellt, wo man bis zur Hüfte in schleimigem Treibsand versank, aber das hier war ja ganz gewöhnliche Erde. Oder Schlamm. Ein bisschen vollgesogen vielleicht, aber es hätte ihm sicher nicht den Tag verdorben, wenn er nur in Jeans, T-Shirt und Wanderschuhen angerückt wäre.
    Roy Dotson ging voran, auf den Fersen gefolgt von Turco, der trotz der Last seines Rucksacks leicht, wachsam und umsichtig ausschritt. Abercorn bildete die Nachhut, schlenderte in seinem weit ausgreifenden, schlaksigen Gang dahin, duckte sich unter Schwadronen von Insekten weg, die sich bei jedem seiner Schritte vor ihm zusammenscharten und dann wieder für den nächsten Angriff ausschwärmten. Sie folgten einem primitiven Pfad auf die Rückseite der Insel, wo Saxby, laut Roy Dotson, am vergangenen Vormittag sein Fischfang-Lager aufgeschlagen hatte. (»Zwergbarsche«, hatte Turco verächtlich geknurrt, als Dotson ihnen davon erzählt hatte. »Nur ein Vorwand, wenn du mich fragst, nichts weiter.«)
    Sie marschierten eine Viertelstunde lang im Gänsemarsch unter einem Baldachin aus Sumpfkiefern, der das Sonnenlicht zu gesprenkeltem Zwielicht abdämpfte. Die Luft war hier drückend und so geballt, dass sie wie ein anderes Element wirkte, und von der Schwüle lief ihnen dermaßen der Schweiß herunter, dass sie bald so durchnässt waren, als wären sie den ganzen Weg vom Touristenzentrum hierher geschwommen. Salztabletten, dachte Abercorn und verfluchte sich, weil er sie vergessen hatte. Er fragte sich, was wohl passierte, wenn der Organismus kein Salz mehr in sich hatte – man kollabierte, oder? Es hatte mit Elektrolyten zu tun, oder verwechselte er das mit Batterien? –, als Turco Roy Dotson am Arm ergriff und die drei plötzlich stehen blieben. »Was denn?«, fragte Dotson. »Was ist los?«
    Turco packte noch fester zu. »Das Lager«, raunte er. Irgendwo schrie ein Vogel, laut und gellend, als würde er von einer unsichtbaren Hand bei lebendigem Leibe gerupft. Roy Dotson wollte etwas sagen, aber Turco schnitt ihm mit einem gezischten »Schhh!« das Wort ab, sein Blick war eiskalt geworden. »Bleibt hier, alle beide. Ich erledige das allein.«
    Abercorn sah nichts als Baumstämme und Laub. Die Stiefel waren Schwitzpackungen, die Schwimmweste schnürte ihm die Brust zusammen. Er holte keuchend Luft und hustete Insekten aus.
    »Psst!«
    »Lewis –«, warnte Abercorn, der darauf hinweisen wollte, dass sie sich, allem Anschein zum Trotz, nicht auf dem Ho-Tschi-Minh-Pfad befanden und dass Saxby kein verschlagener, bewaffneter kommunistischer Guerillakämpfer war, sondern ein anständiger Bursche, der Fische – und Ruth Dershowitz – liebte, außerdem amerikanischer Staatsbürger mit gewissen unveräußerlichen Rechten und in die ganze Sache vermutlich auch überhaupt nicht verwickelt, jedenfalls nicht allzu tief, aber Turco funkelte ihn mit derartig kompromissloser Wut an, dass er aufgab. Dafür wurde Turco schließlich bezahlt, dazu war er hergekommen – aufhalten konnte man ihn jetzt ohnehin nicht mehr. Abercorn wechselte einen Blick mit Roy Dotson, als Turco seinen Rucksack abstreifte und lautlos ins Unterholz abtauchte. Obwohl Abercorn immer noch nichts sah – weder Lager noch Zelt noch die geringste Spur von Zivilisation –, wühlte er nach seinem Diktafon und dem Notizblock, wobei er, ohne es zu wollen, leise Erregung in sich aufsteigen spürte. Vielleicht hatte Lewis ja doch recht, vielleicht versteckte sich der Japse wirklich da draußen mit Saxby, und sie könnten demnächst die Handschellen klicken lassen, ihre Sachen zusammenpacken und für immer aus diesem Drecksloch verschwinden.
    Roy Dotson sah das anders. Sein Mund war zusammengekniffen, und auf seiner Stirn bildete sich eine zornige Falte zwischen den Augenbrauen. »Der Kerl ist ja verrückt«, flüsterte er gepresst. »Ich sagte Ihnen ja schon, Sax war ebenso verblüfft wie ich, als dieser Mann aus seinem Kofferraum

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