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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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identifizierte. »Wir brauchen ein Boot«, erklärte er und setzte seinen Blick des direkt aus der Dschungelhölle kommenden Indochinakämpfers auf.
    Sie schien den Blick nicht zu bemerken. »Tut mir leid«, sagte sie, süß und plätschernd wie Regenwasser, obwohl ihr Akzent auf Mangrovensümpfe schließen ließ, »aber ich habe Anweisung von Mr. Chivvers und Mr. Dotson, heute keine Boote zu vermieten.«
    »Der Park ist sozusagen praktisch geschlossen«, verkündete die Blondine neben ihr. Sie war etwa vierzig, und ihr Haar war zu einer kunstvollen, zuckerwatteartigen Turmfrisur gestaltet. »Wir bedauern die Unannehmlichkeit«, sagte sie, »aber da draußen läuft ein Wahnsinniger frei herum.«
    »Ein Orientale«, fügte eine andere hinzu.
    »Hat an der Küste wen ermordet, wie man so hört«, sagte die älteste, die ungefähr siebzig sein musste und die Gabe besaß zu sprechen, ohne dabei die Lippen zu bewegen.
    »Drei erwachsene Männer und ein Baby. Alle erdrosselt«, sagte die mit der komischen Frisur. Alle sechs ließen ihr Lächeln einfrieren.
    Das war Abercorns Stichwort. Er hatte sich im Hintergrund gehalten, jetzt aber trat er vor. »Spezialagent Detlef Abercorn vom INS «, sagte er und ließ seine Dienstmarke aufblitzen. »Einwanderungsbehörde, Bezirksbüro Savannah. Wir sind hinter diesem Mann her.« Er probierte selbst ein Lächeln. »Deshalb brauchen wir ja ein Boot.«
    »Ja, also« – das erste Mädchen, Darlene, geriet hinter ihrem offiziellen Lächeln ins Wanken – »ich weiß nicht …« Sie wandte sich an die Blondine neben ihr, eine Frau unbestimmten Alters mit einer Sekretärinnenbrille und einem bunt gemusterten Halstuch. »Lou Ann, was meinst du?«
    In diesem Moment kam Roy Dotson durch eine Tür am anderen Ende des Büros. Er trug seine Park-Ranger-Uniform und hüfthohe Stiefel. »Das geht in Ordnung, Darlene, geben Sie diesen Männern, was sie wollen.«
    Darlene sah zu Abercorn auf. Sie konnte nicht älter sein als siebzehn, und ihr Lächeln war breit und herzlich. Abercorn hatte einen dieser kurzen, unvermeidlichen sexuellen Gedanken, aber ihr Ton wurde wieder ganz geschäftsmäßig. »Also dann bräuchte ich Ihren Führerschein«, sagte sie, »und eine Kreditkarte.«
    Roy Dotson saß am Ruder des fünfeinhalb Meter langen Flachkielboots, dessen Motor auf voller Kraft lief, was nicht allzu viel war. Am Bug hockte Turco mit seiner gesamten Dschungelausrüstung: Von seinem Rucksack baumelten der Feldspaten, eine Drahtschere und alle möglichen anderen Dinge. Zwischen den beiden saß Detlef Abercorn und genoss beinahe die Fahrt, wider Willen. Er trug hüfthohe Stiefel und hielt eine Tüte mit Antihistaminika, Sonnenschutzcreme, Insektenspray und Zinksalbe so fest in der Hand, als hätte er Angst, ihr könnten Flügel wachsen und sie würde davonfliegen. Außerdem trug er eine grell orangefarbene Schwimmweste, obwohl er sich darin ein wenig albern vorkam. Auf der Weste hatte Roy Dotson bestanden, und Abercorn hatte ihm aus zwei Gründen nachgegeben. Erstens schlicht aus Diplomatie: Turco hatte Dotson, der sich immerhin gewaltige Mühe gab, ihnen behilflich zu sein, davon in Kenntnis gesetzt, er würde sie (die Schwimmweste) ihm (Roy Dotson) in den Arsch schieben, wenn er sie noch einmal erwähnte, deshalb hatte sich Abercorn die seine aus diplomatischen Erwägungen brav übergestreift. Der zweite Grund war ein weit weniger selbstloser: Er hatte panische Angst davor, sich zwischen die Alligatoren und Schlangen hinauszuwagen, und er fand, er könne jeden Schutz brauchen, der sich ihm bot. Mit den Stiefeln und der Schwimmweste konnte ihn nun seiner Ansicht nach eine Schlange nur noch im Gesicht erwischen, und er hatte vor, diesen Bereich seiner Anatomie hoch oben, trocken und außer Reichweite für Reptilien zu halten.
    Trotz alledem war es eigentlich gar nicht so übel. Der Fahrtwind hielt die Moskitos von seinen zerstochenen Ohren ab und trocknete den Schweiß auf seinen Schläfen, und der Sumpf wirkte jetzt, da er mittendrin war, ein gutes Stück weniger bedrohlich. Nichts kroch in seine Stiefel, um ihn zu stechen, zu beißen oder auszusaugen, von den Bäumen fielen keine Schlangen herab, und der einzige Alligator, den er sah, hatte etwa die Größe einer Damenhandtasche. Er war zudem überrascht, dass es hier offenes Wasser gab – und zwar eine ganze Menge davon. Wenn er hinter den optischen Gläsern seiner Sonnenbrille mit dem durchsichtigen Plastikgestell die Augen zusammenkniff, fühlte

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