Der Samurai von Savannah
erstaunt hätten, wenn sie innegehalten und darüber nachgedacht hätte, sie hämmerte auf die Tastatur ein und handhabte die Korrekturflüssigkeit wie ein Schwert, während ein Stoß von sauberen, vollendet formulierten Seiten vor ihr in die Höhe wuchs. Gegen zehn Uhr hatte sie Teile von »Zwei Zehen« wesentlich umgeschrieben, ebenso wie »Die Tränen und die Flut« – eigentlich doch gar nicht so schlecht – und den Text, der von Atlantic zurückgekommen war und den sie in einem Anfall von Inspiration in »Sebastopol« umbenannt hatte, um so den Kampf anzudeuten, der sich zwischen den Hauptfiguren – zwei Paaren – abspielte. Sie hatte vor, kürzere Stücke aus jeder dieser Erzählungen zu lesen – echte in Arbeit befindliche Texte, so wie es im Grunde gedacht war, kein fertig gedrucktes Blocksatz-Artefakt –, und für den Schluss würde sie sich eine Passage aus »Tränen« aufheben, die Schilderung des stark an Hiro erinnernden Mannes der todgeweihten Heldin. Sie würden vor ihr sitzen – Irving, Laura, Septima, Seezers und Teitelbaum und Ms. E. T. persönlich – und an ihren, Ruths, Triumph über den Sheriff, Abercorn und diese kleine Macho-Kröte denken, die ihnen erst neulich einen Vorgeschmack auf wirklichkeitsnahes Drama geliefert hatte, da drüben auf der Veranda, direkt vor ihren staunenden Augen. Und zudem gäbe es sicher ein gewisses lüsternes Interesse an diesem Text – was wusste sie wirklich über Sex bei Japanern? Hatte sie mit ihm geschlafen? Hatte sie ihm bei der Flucht geholfen? Und sie würde ihr rätselhaftes Lächeln aufsetzen, das Lächeln von La Dershowitz, der unantastbaren Regentin, und alle Fragen offen lassen. Ja, sie würde ihnen zeigen, worum es bei einer Lesung wirklich ging.
Das Mittagessen ließ sie aus, sie arbeitete sogar durch das Hämmern, Sägen und den allgemeinen Baulärm hindurch, mit dem Parker Putnam – oder hieß er Putnam Parker? – einen Zimmermann bei der Arbeit imitierte. Das sehnige, bucklige, von der Sonne tabakbraun gebrannte Kerlchen war um elf Uhr mit einer Werkzeugkiste von der Größe eines Kleinwagens aufgetaucht und hatte mit stockender, belegter Stimme vorgebracht, »Miz Lights« habe ihn gebeten, herzukommen und das Studio wieder in Ordnung zu bringen. Er brauchte nahezu den ganzen Nachmittag, um das restliche Glas der zerschossenen Scheiben aus den Fensterrahmen zu schlagen, und fast eine Stunde allein dafür, die alte Maschendrahttür aus den Angeln zu heben, aber sie bemerkte es kaum. Normalerweise wäre sie dabei verrückt geworden, an diesem Tag aber war er ihr geradezu willkommen – er war da, um sie auf die Probe zu stellen, um ihr eine weitere schwere Last aufzubürden und zu prüfen, ob sie darunter zusammenbrechen würde. Aber sie hielt stand. Ihre Konzentration war perfekt.
Es wurde schon spät – vier? fünf? –, als er sein Werkzeug einpackte (was auch wieder eine halbe Stunde dauerte) und für diesen Tag Feierabend machte. Das Hämmern verstummte. Kein Splittern von Glas, kein Keuchen und Spucken, keine dumpfen, weithin hallenden Schläge mehr. Stille legte sich über das Studio, und in diesem Moment spürte Ruth einen ersten leisen Anflug von Unsicherheit. Was wäre, wenn – was, wenn ihre Sachen nun doch nicht so gut waren? Was, wenn es ihnen nicht gefiel? Was, wenn sie nach vorne trat und kein Wort herausbrachte? Sie stellte sich die Befriedigung vor, die Jane Shine empfinden würde, und sie spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. Aber nein, das war der Hunger, sonst nichts, und erst jetzt fiel ihr auf, dass sie noch gar nichts gegessen hatte.
Sie saß an ihrem Schreibtisch und aß pflichtbewusst auf – Kirschtomaten, frisch aus dem Küchengarten, Lachsmousse mit Dijon-Senf und eine Art Salzbrot, das Armand selbst erfunden hatte –, und langsam fühlte sie sich besser. Sie dachte an ihr Make-up, ihre Frisur und daran, was sie anziehen würde. Nichts Prätentiöses, das war sicher, keine Spitzenkragen und Jugendstilbroschen. Jeans und T-Shirt. Ohrringe. Ihre blaugrünen Sandalen, die Zehen und Rist freiließen. Alles sollte schlicht sein. Ehrlich. Echt. Das genaue Gegenteil von Shine-Extravaganz. Und wenn die Erzählungen auch nicht ganz fertig waren, noch nicht die Form hatten, die sie ihnen schlussendlich geben wollte, dann schadete das gar nicht – sie las ja nur einzelne Passagen, und die Passagen waren stark. Der Gedanke hob ihre Stimmung wieder – etwas Essen, mehr brauchte sie nicht –, und sie spürte
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