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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Wasser in einem tiefen Swimmingpool. »Das hab ich ihr ja auch gerade gesagt, Mr. Thalamus –«
    Er unterbrach sie mit erhobener Hand und einem sanften Druck auf ihren Ellenbogen, eine Geste, die ihn väterlich und lüstern zugleich erscheinen ließ. »Irving«, sagte er, »sag Irving zu mir«, mit einem Unterton, der volltönend und vielversprechend klang.
    »Ja, das hab ich ihr auch gerade gesagt, Irving« – sie lächelte ihm zu, neckisch, sehr neckisch –, »ich meine, ich hab ja schon eine Menge Lesungen gehört, auf der Uni und dann in New York, aber vorhin, da war ich total hin und weg, ich meine, das war ja Wahnsinn, es war, als ob sie besessen wäre oder so was, ich meine, da lag so viel Talent drin, so viel Dramatik und Inspiration …« Brie war so aufgeregt, dass sie nicht weiterreden konnte. Sie stand einfach da, mit nackten Schultern und großen Augen, glotzend und nach Luft schnappend wie ein Goldfisch.
    »Und wie denkst du darüber, Ruthie?« Irvings Lider hingen schwer herab. Irgendwie war es ihm gelungen, Brie einen Arm um die Hüfte zu legen. Das Ganze bereitete ihm einen Riesenspaß.
    Aber Ruth hatte nicht die Absicht, vor ihm eine Szene hinzulegen. Sie wollte nicht über Jane Shine reden, schon gar nicht sich in eine Debatte über dick aufgetragene Prosa und halbidiotische Theatralik hineinziehen lassen. Sie würde ganz cool sein. Erhaben. Über den Dingen stehend. »Ach komm, Irving«, sagte sie und sah ihm tief in die Augen. »Das war keine Lesung, sondern ein prämenstrueller Nervenzusammenbruch.« Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und überließ die beiden sich selbst – sollte er sie doch begrapschen und seine Körperbehaarung zur Schau stellen.
    Sie suchte Trost bei Sandy, aber Sandy war nicht viel besser als Brie. Er saß weiter hinten mit Bob zusammen, klopfte mit den Fingern im Takt zur Musik und gab sich genüsslich der Erinnerung an Janes Lesung hin. Ruth versuchte, ihn umzudrehen, ihn von seiner Götzendienerei abzubringen und die Saat der Missgunst in ihm zu säen, aber es war sinnlos. Glückselig nuckelte er an einer Flasche Bier und spähte hinüber zu dem kleinen Grüppchen rings um Jane – Seezers und Teitelbaum, Septima, Laura Grobian, Clara, Patsy und ein halbes Dutzend andere –, als wären es Jünger, die sich um den Erlöser scharten. Oder die Erlöserin.
    In der Ecke stieß sie auf Regina, die mürrisch in ihr Glas mit Rum starrte, und sie wusste, dass wenigstens diese Frau keine Hemmungen haben würde, Scheiße auch Scheiße zu nennen, und dass sie Jane als die Hochstaplerin sah, die sie war. Regina hatte sich die Augen mit Kajal geschwärzt und auch das Haar in interstellarem Schwarz gefärbt; sie sah aus wie eine Haremsdame, der man den Schleier vom Gesicht gerissen hat. »Also«, sprach Ruth sie an und näherte sich ihr, »begraben wir sie gleich neben Wordsworth, oder was? Oder vielleicht doch besser neben P.T. Barnum, dem Zirkusdirektor.« Sie lachte kurz und freudlos auf.
    »Jane?« Regina drückte ihre Zigarette in einer Topfpalme aus. Sie richtete sich achselzuckend auf, blickte Ruth eine Sekunde lang direkt an und sah dann weg. »Ich weiß nicht – sie kann einem echt auf den Senkel gehen, diese kleine Primadonna, wenn du weißt, was ich meine, aber ich finde, ihre Show vorhin war wenigstens dramatisch.«
    »Dramatisch?« Ruth war fassungslos.
    »Bei den meisten dieser beschissenen Lesungen schlaf ich nach spätestens sechs Worten ein – aber vorhin, also, das war zumindest irgendwie interessant.«
    Ruth konnte sich nicht bremsen – ihre Stimme machte sich einfach selbstständig. »Ja ja, aber was war das? Schwindel. Mist. Aufgeblasene, gequirlte Scheiße, die nur verbergen soll, dass rein gar nichts dahintersteckt.«
    Regina versuchte ein Lächeln, das aber so rasch welkte, wie es aufgeblüht war. Sie wühlte in ihrer Lederjacke nach der nächsten Zigarette.
    »Verflucht noch mal«, schrie Ruth, quietschte es heraus – sie ging zu weit, sie wusste es, aber aufhören konnte sie nicht mehr –, »siehst du denn nicht, dass Jane« – sie gab sich Mühe, leiser zu sprechen, den Schaden möglichst klein zu halten –, »dass Jane Shine aus nichts weiter als heißer Luft und gequirlter Scheiße besteht?«
    In diesem Moment wurde Ruth sich bewusst, dass Regina sie gar nicht mehr ansah – sie blickte ihr über die Schulter und versuchte, ihr mit dem Mund und den schwarzumrandeten Augen ein Zeichen zu geben. Ruth drehte sich um, als wäre sie in

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