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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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es etwas Einnehmendes, ein kleiner Tribut an die Bescheidenheit und Demut von La Dershowitz, der Künstlerin, die andere teilhaben ließ und zum schlichten Organ ihrer Arbeit wurde. Sie fuhr dann fort, auch diesen Text vorzustellen – ausführlich, zu ausführlich, wie sie rückblickend meinte –, ehe sie eine langatmige Passage las, die ausschließlich aus einem inneren Monolog bestand. Eine verheiratete Frau – Babe hieß sie, um die dreißig und von zierlicher Schönheit – putzte gerade Krabben und schnitt Oktopus für eine Bouillabaisse, während sie über ihr unausgefülltes Leben mit ihrem Mann Dexter, einem Rechtsanwalt, und die einstweilen unerfüllte Leidenschaft nachsann, die sie für Marvel empfand, der ebenfalls Rechtsanwalt war, außerdem der Mann ihrer besten Freundin Clarice; dies war das andere Ehepaar. In dieser Geschichte gab es mehr als eine Prise Sex – es handelte sich um die Erzählung, die Atlantic wegen zu viel Sex abgelehnt hatte –, aber Ruth wich dem aus, ja sie hatte die Passage extra deshalb ausgesucht, weil sie als einzige einigermaßen frei davon war. Von Jane hatten sie nichts als Sex zu hören bekommen, und darauf hatte Ruth mit dem Stück aus »Zwei Zehen« reagiert – aber man musste ja nicht übertreiben. Außerdem würde es im letzten Text – ihre Glanznummer und der Höhepunkt des Abends – ohnehin wieder genug davon geben.
    Während des Vortrags von »Sebastopol« war sie nicht völlig konzentriert – wohl war sie dabei, las bedächtig und mit angemessenem Mangel an Emotion, aber ihre Gedanken schweiften ab, gingen ein paar Stunden zurück in die Vergangenheit, als sie ihre Lesung vorbereitet und Sax aus Ciceroville angerufen hatte. »Sax«, hatte sie ins Telefon gehaucht, »geht es dir gut?« Brie und Sandy – waren sie ein Paar? – hatten auf dem Fensterbrett in der Halle gesessen und Klatsch und Tratsch ausgetauscht, über Verlagslektoren und Sternzeichen, über Autoren, die sie beide kannten und die mittlerweile fett, kahlköpfig und ausgebrannt waren, und sie hatten etwas lauter gesprochen, um ihr ein wenig Privatsphäre zuzugestehen. Es war der quintessenzielle La-Dershowitz-Augenblick, samt Publikum und allem – hier fand echtes Drama statt, das wirkliche Leben: Ihr Mann im Gefängnis, eine Menschenjagd im Gange, die Presse klopfte an alle Fenster (an diesem Nachmittag hatten schon sechs Zeitungen für sie angerufen).
    »Alles in Ordnung«, sagte er. »Stratton hatte mich innerhalb von zwei Minuten draußen, und er hängt ihnen eine Anzeige wegen Freiheitsberaubung an, der ganzen Bande« – er hielt inne und holte tief und angewidert Luft –, »trotzdem meint er, wir sollten guten Willen zeigen und mitkommen, weißt du, mit ihnen zusammenarbeiten. Sie haben nichts gegen uns in der Hand – meine Güte, ich rede ja schon wie in einem Film –, also, wir haben nichts Schlimmes getan, und sie werden die Beschuldigungen natürlich zurückziehen und uns anbetteln, auf die Anzeige zu verzichten und so weiter, aber Stratton findet, wir müssten trotzdem mit ihnen zusammenarbeiten.«
    »Aber Sax« – ihre Stimme war wie Butter und Honig, Weihrauch und Myrrhe –, »warum gerade du? Du bist doch vollkommen unschuldig, und das wissen sie.«
    »Abercorn ist einfach ein kleiner Scheißer, sonst nichts. Er glaubt, dass wir – du und ich – mit diesem kleinen Japaner alles verabredet hätten, dass wir ihn irgendwie aus der alten Zelle hinter Patsys Studio befreit und dann in dem Mercedes versteckt hätten – und das haben wir doch nicht, oder, Ruth?«
    »Ich liebe dich, Sax«, flüsterte sie. Es war ein Signal. Wenn jemand sagt: »Ich liebe dich«, antwortet man: »Ich liebe dich auch.« Das ist wie Hallo und Bis später, Wie geht’s und Was tut sich. Saxby reagierte nicht darauf. »Sax«, wiederholte sie, »ich liebe dich, Sax.«
    »Ich liebe dich auch«, sagte er schließlich, aber es klang nicht sehr überzeugend, und das erschreckte sie.
    »Ich hab es dir doch gesagt, Sax«, sagte sie, »ich schwör’s dir, ich hatte nichts damit zu tun. Ich will jetzt nur noch, dass Hiro Tanaka ins Gefängnis kommt und dass der ganze Spuk vorbei ist.«
    Das schien ihn zu besänftigen. Er würde in dem Motel bleiben, er machte sich Sorgen wegen seiner Fische. Ja – und hier kehrte der Lebensfunke in seine Stimme zurück, er war wieder ihr Sax, jungenhaft und enthusiastisch –, er hatte sie! Sie waren draußen auf Billy’s Island in ein paar Eimern, aber er hatte keine Zeit

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