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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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auf Hüfthöhe und breitete sie aus. Und dann war er verschwunden.
    Am nächsten Morgen war Ruth bereits gewaschen und angezogen, als Owen seine Runde machte. » Bonjour, mademoiselle «, raunte er und klopfte an ihre Tür. Sie antwortete ihm, noch ehe er sein Sprüchlein beendet hatte – » Merci, je suis réveillée « –, und im nächsten Augenblick riss sie die Tür auf und bedachte ihn mit der schwindelerregend breiten Parodie eines verführerischen Lächelns. Solcherart überrumpelt, konnte er nur staunend zusehen, wie sie sich die Tasche über die Schulter warf und den Korridor entlang zum Frühstück tänzelte. Sie war aufgeregt, so aufgeregt, dass sie kaum hatte schlafen können. Nicht nur wegen des japanischen Matrosen und der Erwartung, dass er wiederkommen könnte und sie ihm Hilfe leisten würde, ihn verstecken und nähren würde als ihr höchstpersönliches lebendiges Geheimnis, sondern auch, weil die Gleichung einen neuen Faktor – oder vielmehr: zwei neue Faktoren – aufwies: Detlef Abercorn, ein großer junger Kerl mit kantigem Kinn, Ermittler von der Einwanderungsbehörde, und sein komischer kleiner Scherge Turco.
    Sie waren am Vorabend eingetroffen, klatschnass und verdreckt, auf dem Höhepunkt des zweiten Gewitters. Der Regen war während des langen, lastenden Nachmittags in ein leises Nieseln übergegangen und hatte dann ganz aufgehört, als Ruth sich zur Cocktailstunde zum Großen Haus aufmachte. Die ganze Kolonie war im Salon versammelt – sogar Septima in einer glitzernden Silberbluse mit einer vorsintflutlichen Perlenkette –, als der Sturm erneut losbrach, mit einem Regenguss, der gegen die Fenster schepperte, und als Funken sprühten und der elektrische Strom aussetzte. »Oh, wir sollten Kerzen anzünden!«, rief Septima und klatschte in die Hände wie ein kleines Kind. Ihre Stimme erhob sich über die plötzliche dämmrige Stille im Raum, trillernd und authentisch, eine würdevolle, aber ungeduldige Stimme, in der die ganze Kultiviertheit des Alten Südens schwang. Wenn die Künstler bei ihrem allgemeinen Geplapper am Geselligen Frühstückstisch oder im Cocktailzimmer auch nur kurzzeitig vergaßen, wo sie waren, dann holte sie Septimas schmeichelnder und unanfechtbarer Dialekt wieder zurück.
    Saxby war am Vormittag nach Savannah gefahren, um dort die Ausrüstung für sein neues Fisch-Projekt zu besorgen – sonst wusste Ruth nichts weiter darüber: es ging um ein Fisch-Projekt, ganz einfach –, und es war daher nicht er, sondern Bob oder vielleicht auch Owen, der wenig später mit einem festlich leuchtenden Kandelaber hereinkam. Man spendete Beifall, eine weitere Runde Cocktails wurde ausgegeben, und als die Lampen wieder angingen, beschloss man einstimmig, auf sie zu verzichten und sich lieber bei Kerzenlicht der Romantik des Gewitters hinzugeben, das mit dem ganzen Ingrimm des brodelnden Atlantik auf die inzwischen dunklen Fenster einstürmte.
    Gerade als Owen eintrat, um zum Abendessen zu rufen, ertönte ein Klopfen an der Tür. Der vordere Salon, in dem die Cocktails serviert wurden, führte auf die Eingangshalle und zu dem prächtigen Haupteingang. Niemand klopfte hier jemals an – alle hatten freien Zutritt –, und das dreiste, ungeduldige Donnern gegen die Eingangstür schreckte sie auf. Der Geräuschpegel fiel auf null, Gespräche erstarben; alle Köpfe drehten sich um und starrten durch die Salontür in die Halle, in die sich Owen nun begab, mit vorgeschobenen Schultern und dienstlicher Miene. Ruth, die sich in den ersten Stadien jener Metamorphose befand, die sie zum zentralen Fixstern von Irving Thalamus’ Clique machen und für immer aus der Trostlosigkeit des Stillen Zimmers herausreißen sollte, folgte ihm.
    Owen machte die Tür auf, ein wilder, verwegener Geruch nach tropfnasser Natur flutete durch die Halle, und Abercorn und Turco, der eine zu groß, der andere zu klein, kamen platschnass ins Haus gestapft. »Hallo«, sagte Abercorn, streckte dem verdutzten Owen die Hand entgegen und ließ ein makelloses Lächeln aufblitzen, »ich bin Detlef Abercorn, Spezialagent des INS , und das« – hier deutete er auf Turco, der sich misstrauisch umblickte – »ist mein, äh, Assistent, Lewis Turco.«
    Ruth fühlte, wie ihr Herz kurz aussetzte. Das war der Mann, mit dem sie vor einer Woche telefoniert hatte – unbekümmert, erfreut über die Beachtung, die ihr zuteil wurde –, der Mann, dem sie jede wichtige Einzelheit ihrer Begegnung mit Hiro Tanaka im Peagler Sound

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