Der Samurai von Savannah
Brust presste sich gegen seinen Bizeps, als sie sich eine Zigarette an seiner anzündete. Ihr Gesicht leuchtete im Aufglimmen des Tabaks, tief und genüsslich stieß sie den Rauch aus und sagte ihm dann, sie habe sich das Billardzimmer erobert, kein Problem, und jetzt – endlich – gefalle es ihr hier auch richtig gut.
Er ließ das kurz auf sich einwirken, lehnte sich gegen das Kopfende seines Kinderbetts, gegen ihren Körper gedrückt und schweißnass, Schulter an Schulter und Seite an Seite. Seine Zigarette glühte im Dunkeln auf. »Hast du mich vermisst?«, murmelte er.
Zur Antwort legte sie ihre Hand auf seinen Penis und streichelte ihn, eine Berührung so sanft und seidig wie ein im Wind schlagendes Segel. »Dreimal darfst du raten«, sagte sie mit ihrer rauchigsten Stimme und beugte sich vor, um ihn auf den Mund zu küssen.
Ihre Berührung ließ ihn die Schenkel anspannen, er schmeckte ihre Lippen und roch ihre Hitze. »Und Thalamus?«
Ihr Griff erschlaffte. »Wieso? Was ist mit dem?«
»Ich weiß nicht«, sagte er und sah weg, obwohl er wusste, dass sie seine Augen im Dunkeln nicht sehen konnte, »mir kommt es nur so vor, als wäre er auf einmal furchtbar freundlich zu dir …«
Ihre Hand schloss sich wieder, besitzergreifend und schmeichelnd zugleich. »Eifersüchtig?«, hauchte sie.
Er legte die Zigarette auf den Rand des schartigen Nachttisches und nahm ihre sich rhythmisch bewegende Hand in die seine. Er hielt sie fest und erhob sich mit einem Kreischen der alten Bettfedern, um sich zwischen ihre Schenkel zu knien und zu ihrem Gesicht hinabzubeugen. Thalamus bedeutete nichts, er war ein Witz, ausgedörrt und saftlos, eine Portion Trockenfleisch in Plastikfolie. Er hätte ihn verunglimpfen und lächerlich machen können, aber er tat es nicht. Stattdessen beantwortete er ihre Frage. Schlicht. Einfach. Aufrichtig. »Ja«, sagte er.
Sie lag unter ihm, schweißglänzend und lusterfüllt, salzige Haut, ihr heißer Atem dicht vor seinem Gesicht. »Brauchst du nicht«, flüsterte sie. »Ich … ich spiele doch bloß das Spiel mit. Du müsstest das doch wissen … du, Sax … du«, und sie zog ihn hinab an den Ort, wo Worte keine Bedeutung haben.
Am nächsten Morgen – oder vielmehr, Nachmittag: es war halb eins, als er aufwachte –, ging Saxby mit einer Tasse Kaffee, einem Sandwich mit Ei und der eben eingetroffenen Zeitung vom Vortag in den Salon seiner Mutter. Er entsann sich vage, wie Ruth sich bei Tagesanbruch aus dem Bett gewälzt und ihm noch einen Kuss aufgedrückt hatte, ehe sie zum Frühstück am Geselligen Tisch davongehuscht war, aber das Bild zerfloss sofort wieder im warmen Schein des Salons und den starken, vertikalen Lichtbalken, die sich durch die Fenster bohrten und das Aquarium zur Bühne machten.
Über Nacht hatte es sich enorm verwandelt. Das Wasser war jetzt klar, absolut glasklar, durchs Filtern befreit von den Rückständen, die er bei seinem Schöpfungsakt aufgewirbelt hatte, die Pflanzen standen aufrecht in einem zitternden grünen Licht, und vor der mattschwarzen Rückwand hoben sich die Gesteinsformationen ab wie sechs Faden tiefe Riffe. Im Stehen biss er von dem Eiersandwich ab, trank einen Schluck Kaffee und schob das Frühstück dann beiseite. Er war zu aufgeregt zum Essen. Im nächsten Augenblick steckte er die Hände ins Wasser, rückte diesen oder jenen Stein zurecht, strich den Kies glatt und versetzte noch eine Pflanze, so wie ein Maler letzte Hand an ein Stillleben legt. Was ihm jedoch die größte Befriedigung verschaffte, was ihn das stockende Ei, den kalt werdenden Kaffee und die alte Zeitung vergessen ließ, das war die Erwartung, dass sein perfekter Mikrokosmos bald auch bewohnt sein würde. Wenn er Glück hatte. Glück würde sogar eine wesentliche Rolle spielen bei dem Projekt, das da unter seinen kalten nassen Händen Gestalt annahm.
Denn Saxby war kein Wissenschaftler – ein engagierter, ja leidenschaftlicher Amateur vielleicht, aber kein Wissenschaftler. Akademische Disziplin, Pflichtvorlesungen in Physik, Biochemie, Geologie und Anatomie, auf diese Dinge konnte er verzichten. Er war auf mehrere Unis gegangen – seine Mutter verehrte die Naturwissenschaften und hatte ihn nur zu gern auf jegliche Weise unterstützt, obwohl sie selbst, die in ihrer Jugend Gedichte geschrieben hatte, eher zu den humanistischen Fächern neigte –, und auf jeder waren seine Studienerfolge weiter gesunken. Seine Liebe galt den Tieren – insbesondere den aquatischen
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